Verhängnisvolles Gold
nicht als Frage.
Ich widerstehe dem Drang, melodramatisch zu werden, und nicke nur: »Wir alle sind verletzt.«
Wir sitzen einen Augenblick schweigend da.
»Erzählst du es mir?«, frage ich.
Er schüttelt den Kopf. »Deinen Wolf zu finden ist wichtiger.«
»Nein, ist es nicht.«
Er schaut mich einen Moment lang an. Seine Anspannung und der Schmerz in seinem Innern sind mit Händen zu greifen. »Meine Mutter hat recht. Ich habe sie getötet.«
Etwas in meinem Gesicht muss meine Angst verraten, denn er wirft die Arme in die Luft und lässt sich seitlich vom Sofa hinuntergleiten. Dann stolpert er auf mich zu und geht vor mir auf die Knie.
»Erzähl es mir einfach, Astley.« Ich strecke die Hand aus und berühre seinen Kopf mit den dichten, weichen Haaren. Seine Augenlider flattern, als würde er Tränen zurückhalten.
»Wir waren schon als Babys dazu bestimmt, einander zu heiraten. Ihre Familie war alt und mächtig, allerdings nicht von königlichem Geschlecht. Mir war das egal. Sie war wunderschön.« Er hält die Augen geschlossen, während er spricht. Seine Worte schlagen in der Luft kleine Wellen wie schwere Steine, die in einen Bach geworfen werden. »Sie war Amelies jüngste Schwester. Ihr Name war Sacha.«
»Oh.« Meine Hand hört auf, durch seine Haare zu streichen, als ich mir sie vorstelle: stark, dunkel, schön, hochintelligent und, wenn sie Amelie ähnlich war, auch sehr zielgerichtet. Etwas versetzt mir einen Stich, es fühlt sich fast wie Eifersucht an, aber das kann nicht sein.
»Ich hatte von einem bösartigen Elf in meinem Königreich erfahren, der andere Elfen umbrachte. Amelie, Sacha und ich hatten hart daran gearbeitet, dieses Problem zu beseitigen. Aber wir gerieten immer wieder in eine Sackgasse, und ich war damals noch so jung. Wir hatten unsere Beziehung noch nicht, äh, physisch gefestigt, so wie wir das ja auch noch nicht getan haben. Das und mein jugendliches Alter erlaubten verbrecherischen Elementen, ihr Unwesen zu treiben, ohne dass ich automatisch wusste, wer sie sind.«
Ich schlucke und versuche zu ergründen, was das für meine Beziehung zu Astley bedeuten könnte. Hätte er Vander sofort durchschaut, wenn wir unsere Beziehung physisch gefestigt hätten? Wäre mein Vater nicht gestorben? Ich schüttle den Kopf und versuche, mich darauf zu konzentrieren, was er jetzt sagt, denn diese Gedanken sind nicht sehr angenehm. Er bemerkt nicht, dass ich abgelenkt bin, und platzt in kurzen, harten Sätzen mit seiner Geschichte heraus. Ausgerechnet seine Mutter hatte ihm gesagt, wo der Typ seinen Opfern auflauerte: in einer alten Kathedrale im unteren Teil der Stadt. Astley wusste, dass die Angriffe immer nachts kamen, deshalb lag er zusammen mit Amelie auf der Lauer. Stunde um Stunde warteten sie, bis sie kurz vor Tagesanbruch vom Friedhof her einen erstickten Schrei hörten. Sie eilten dorthin und entdeckten die Königin, die den Leichnam eines Elfen küsste, Blut bedeckte ihr Kleider, ihren Mund und ihre Hände. Sie hatte ihn ermordet.
»Du musst sie töten«, hatte Amelie ihn bedrängt. »Töte sie auf der Stelle.«
Aber er konnte es nicht. Er stand fassungslos und voller Entsetzen da, als seine Königin sich umdrehte und ihn ansah. Angst und Zorn lagen in ihren Augen. Immer noch konnte Astley sich nicht rühren. Amelie stürzte nach vorn und packte ihre Schwester am Hals.
»Ich war zu schwach«, sagt er. Seine Stimme zersplittert in Scherben der Trauer, die durch die Luft schneiden. »Ich konnte es nicht selbst tun.«
»Du hast sie geliebt.«
»Ich liebe mein ganzes Volk.« Er öffnet die Augen.
Ich nehme sein Gesicht in beide Hände und dränge ihn aufzustehen. Er erhebt sich. Wir stehen so dicht voreinander, dass ich spüre, wie sich seine Brust beim Atmen hebt und senkt.
»Sie hatte getötet«, sag ich. »Und nicht du hast sie umgebracht, sondern Amelie.«
Er zuckt zurück. »Du hast ja keine Ahnung. Später haben wir rausgefunden, dass sie es gar nicht war. Der Mörder war der Elf gewesen, den Sacha gefunden hat. Sie hatte ihn für mich getötet. Meine Mutter hatte ihr dieselbe Information gegeben wie mir. Sie hat uns zum selben Ort geschickt. Amelie ist nicht mehr dieselbe wie vorher.«
»Und du?«, will ich wissen.
»Nein.« Sein Gesicht zerfällt in zwei Teile. »Ich habe meine Königin getötet.«
Ich möchte sagen: »Genau genommen nicht«, aber ich weiß, dass ihm das egal wäre.
»Meine Mutter hat mir nie geholfen, kein einziges Mal.« Er lacht leise. In
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