Verhängnisvolles Gold
zusammen.
»Hast du Schmerzen?«
Ich lüge und sage ihm, dass mir nichts wehtut, sondern plappere weiter, wie kalt es in Bedford ist und dass es verdammt viele Elfen und Werwesen hier gibt, wie Astley selbst vor einiger Zeit bemerkt hat.
Ich erzähle ihm das alles und dann sinke ich auf einmal ganz schnell in tiefen Schlaf. Im Traum sitze ich mitten auf einer Straße. Nick steht vor mir. Schneeflocken sprenkeln seine wunderschönen dunklen Haare. Er streckt die Hand aus und zieht mich hoch, als würde ich nichts wiegen, als würde ich aus Luft und Federn bestehen, was keineswegs der Fall ist. Ich bin eine kompakte Läuferin, klein, aber muskulös. Mehr oder weniger. Aber das ist jetzt egal. Nicht egal ist, dass er sich an einem gefährlichen Ort befindet.
»Was machst du hier?«, will ich wissen. »Du solltest nicht hier sein. Du bist in Walhalla.«
Aber ich gehe nicht weg. Ich gehe nicht weg, weil seine Hände schwer auf meinen Hüften liegen und mich aufrecht halten. Seine Hände bleiben, aber er fängt an zu verschwinden … Er verschwindet … und ich greife nach ihm … aber ich bekomme nichts zu fassen … nur Luft.
»Ich höre die Gefahr nahen.« Seine Stimme dringt in die Nacht. »Ich höre sie jetzt. Zara. Sie kommt …«
Ich wache auf, weil neben mir die tiefe, laute Hupe eines Holzlasters ertönt.
Astley funkelt das Heck des Lastwagens, die abgesägten Baumstämme, die hilflos und tot auf der Ladefläche liegen, böse an. »Ich könnte ihn umbringen, weil der dich geweckt hat.«
»Schon gut.« Mit einer Handbewegung wedle ich seinen Zorn weg. Er kommt mir zu heftig und zu groß vor. Ich schlucke und bemühe mich um Normalität. »Ich sollte dich ein bisschen unterhalten. Wo sind wir?«
»In Maine. Fast in Bangor.« Er mustert mich und wechselt auf die Überholspur. »Wie geht’s dir?«
Ich hebe die Hand, die auf meiner Wunde gelegen hat. Sie ist voller Blut. »Gut. Immer noch total aufgeregt wegen dem Buch.«
Es entsteht eine lange Pause.
»Nett von deiner Mutter, dass sie uns das Buch gegeben hat.« Irgendwie muss ich die Pause füllen.
»Du hast gesagt, du musstest ihr drohen.«
»Stimmt«, sage ich. »Aber sie hätte versuchen können, mich zu töten, hat sie aber nicht, und das spricht für sie.«
Er antwortet nicht, sondern nickt nur und fährt. Bis zu Bettys Haus sitzen wir ganz unverkrampft schweigend nebeneinander. Ich denke nicht einmal an meinen Traum oder daran, wie merkwürdig Astley sich in New York verhalten hat. Okay, das ist eine Lüge. Aber ich steigere mich nicht hinein, und das ist meiner Meinung nach ein durchaus positiver Schritt in meiner psychischen Entwicklung.
In der Einfahrt begrüßt uns nur der Mietwagen meiner Mom und Bettys Pick-up. Ich hole tief Luft, um mich gegen das zu wappnen, was jetzt auf mich zukommt, aber stattdessen fährt mir ein scharfer Schmerz durch die Brust und ich fühle mich noch wackliger.
Astley mustert mich. »Bist du dafür bereit?«
»Jep.«
»Du kannst ihnen gegenübertreten?«
»Jep.«
»Ich begleite dich bis zur Veranda.«
»Du musst nicht …«
Er springt aus dem Auto und kommt zu meiner Seite herüber. Bevor ich protestieren kann, hat er die Beifahrertür geöffnet. Als wir die schneebedeckte Einfahrt überqueren, hinterlassen wir eine schmale Spur von goldenem Glitzerstaub. Bei jedem Schritt fühle ich mich hin- und hergerissen zwischen Freude und Sorge. Schmerzwellen laufen durch meine Brust.
»Sie werden schrecklich wütend auf mich sein«, flüstere ich und rutsche ein bisschen auf dem Eis aus.
Er greift nach meinem Ellbogen und hält mich. »Höchstwahrscheinlich.«
Meine Mutter reißt die Tür auf. Sie hat weder Make-up aufgelegt noch ihre Haare gerichtet und trägt eine unförmig große grüne Fleecejacke von Betty mit Reißverschluss. Scharf zieht sie den Atem ein und schüttelt den Kopf. In ihren Augen stehen Tränen.
»Eines Tages bring ich dich noch um, Zara White«, geifert sie. Aber es klingt nicht sehr bedrohlich, denn sie weint.
»Das ist ja schon versucht worden. Offenbar irgendwie schwer, mich umzubringen.« Ich deute vage auf meine Schussverletzung.
Sie keucht/würgt/lacht. Sie will mich umarmen, hält aber inne. Etwas in mir verknotet sich und zerbricht.
Sie bemerkt es nicht und sagt nur: »Gott sei Dank … Gott sei Dank dafür.«
Betty kommt mit einem Arm voll Holz aus der Küche. Sie zieht nur die Augenbauen hoch und lächelt verhalten. Keine Strafpredigt von ihr. Sie weiß, dass man uns
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