Verheißene Erde
aber auch noch nach anderen, weit geheimnisvolleren Dingen. »Was ich noch gebrauchen könnte«, sagte er vertraulich, »sind Rhinozeroshörner. Nicht weniger als sechzehn.« Sie würden von älteren Männern benötigt, erklärte er, die junge Frauen heiraten wollten: »Sie brauchen die Gewißheit, daß sie im Bett nicht enttäuschen werden.«
»Aber euer König ist ein junger Mann«, sagte der Häuptling. »Wozu braucht er das Horn?«
»Nicht er! Die reichen, alten Männer mit Schlitzaugen, die in einem fernen Land leben, brauchen es.«
Von ihrem Ruheplatz unter einem Baum sahen die zwei Männer auf den See hinunter, und Ngalo sagte: »Heute abend wirst du viele Tiere zu diesem Wasser kommen sehen, Büffel, Löwen, Flußpferde, Giraffen und Antilopen, wie die Sterne.« Der Alte Sucher nickte, und Ngalo fuhr fort: »Aber du wirst nie ein Nashorn sehen. Wo könnten wir so viele finden?« Der alte Mann dachte über diese Frage nach und antwortete: »In diesem Leben hat ein Mann schwierige Aufgaben zu bewältigen. Er muß eine gute Frau finden und sechzehn Hörner. Es ist seine Aufgabe, beides zu finden.« Häuptling Ngalo lächelte. Es war nett, mit dem Alten zusammenzusein. Immer, wenn er etwas dringend brauchte, dachte er sich anspruchsvoll klingende und moralische Gründe aus. »Die Menschheit braucht keine sechzehn Rhinozeroshörner«, schalt er. »Du brauchst sie.«
»Ich bin die Menschheit.«
Solchen Überheblichkeiten konnte der Häuptling nur schwer widerstehen, aber es war ihm auch nicht möglich, seinen Wunsch nicht zu erfüllen. »Sieh mal, lieber Freund, wir haben keine Nashörner, aber wir haben etwas Besseres.« Er klatschte in die Hände, worauf ein Gehilfe erschien. »Sag Nxumalo, er soll die schwere Erde bringen!« Bald darauf erschien lächelnd ein sechzehnjähriger Junge mit drei groben rechteckigen Barren aus einer Art Metall. Er legte sie vor seinem Vater auf den Boden und wollte wieder gehen. Aber der Alte Sucher fragte: »Weißt du, was du mir da gebracht hast, mein Sohn?«
»Eisen aus Phalaborwa«, antwortete der Junge sofort. »Als die Leute meines Vaters hingingen, um diese einzutauschen, begleitete ich sie. Ich sah den Ort, wo die Menschen die Erde bearbeiten wie Ameisen. Sie erzählten, daß sie dies schon immer getan hätten - so lange sich diejenigen erinnern könnten, die noch am Leben waren, und auch die früheren Generationen hätten diese Arbeit verrichtet.«
»Wogegen habt ihr das eingetauscht?« fragte der Alte. »Gegen Tuch. Das Tuch, das wir weben.«
Der Alte Sucher lächelte, um seine Freude darüber zu zeigen, daß dieser Junge die Herkunft der Dinge kannte, doch dann runzelte er die Stirn. »Wenn ich Eisen aus den Minen in Phalaborwa gewollt hätte, wäre ich direkt dorthin gegangen. Thaba!« rief er. »Bring mir den Stab!« Und als sein Diener mit dem sorgfältig eingewickelten Stab herangelaufen kam, enthüllte ihn der Alte und hielt ihn dem Jungen entgegen. »Das ist wirkliches Eisen. Aus unseren Minen in Zimbabwe. Wir haben mehr als genug davon.« Er schob Nxumalos grobe Barren verächtlich beiseite. Dann zog er aus dem Inneren seines Gewandes einen kleinen, ovalen Gegenstand hervor, wie Nxumalo ihn noch nicht gesehen hatte. Er war von schimmerndem Gelb und glänzte, wenn Licht darauf fiel. Die Kette, an der er hing, setzte sich aus vielen einzelnen Gliedern zusammen und war aus dem gleichen Material. Als er ihn in die Hand nahm, stellte Nxumalo fest, daß er überraschend schwer war. »Was ist das?« fragte er.
»Ein Amulett.« Es folgte eine lange Pause. »Aus Persien.« Wieder bedeutungsvolle Stille, dann: »Gold.«
»Was ist Gold?« fragte der Junge.
»Also, das ist vielleicht eine Frage!« sagte der Alte, hockte sich auf sein Gesäß und starrte auf den See. »Während vierzig Reisen des Mondes durch die Sterne war es meine Aufgabe, Gold zu finden, und so wie du wußte ich nicht, was es war. Es ist der Tod auf dem Grund einer tiefen Grube. Es ist Feuer, das die Eisenträger verschlingt, wenn in der Schmiede das Erz schmilzt. Es sind Männer, die Tag um Tag sitzen und mühsam diese Glieder ausarbeiten. Aber weißt du, was es vor allem ist?«
Nxumalo schüttelte den Kopf. Das Gefühl, dieses schwere Metall zu halten, gefiel ihm.
»Am Ende ist es ein Geheimnis, mein Sohn. Sein Zauber lockt Männer an aus Ländern, von denen du noch nie gehört hast. Sie kommen an unsere Küsten, durchwaten unsere Flüsse, klettern auf unsere Berge, nehmen eine viele Monate
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