Verheißene Erde
für den Weißen?« »Für den echten Afrikander ja. Er gehört zu Afrika und kann lernen, mit uns zu leben. Für die anderen leider nicht. Sie werden sich nie an unseren Boden binden.«
»Welche Sprache werdet ihr verwenden?«
»Das ist es ja.« Er klopfte mit den Knöcheln an die Autotür und atmete hörbar aus. »Es sollte eigentlich Afrikaans sein. Es ist eine prächtige, zweckmäßige Sprache. Die meisten meiner Freunde sprechen es, obwohl sie es nicht mögen. Ich werde Ihnen sagen, was Afrikaans ist. Kennen Sie Fanakalo, die künstliche Sprache in den Minen? Afrikaans ist das Fanakalo der Gentlemen.«
»Dann werdet ihr also Englisch aufgeben?«
Nxumalo wechselte plötzlich das Thema: »Haben Sie den Fall von Mrs. Saltwood unten in Kapstadt verfolgt? Sie muß mit Ihnen entfernt verwandt sein.«
»Stimmt. Afrikander, die ihr Verhalten mißbilligen, erinnern mich immer wieder daran.«
»Anerkennen Sie sie, Philip. Umarmen Sie sie. Sie ist eine von Gottes seltenen Frauen.«
Philip dachte flüchtig an Craig Saltwoods Bitte und fühlte sich schuldig. »Aber sie ist geächtet, nicht wahr?«
»Sie sitzt stumm zu Gottes Füßen.« Er senkte einen Augenblick den Kopf, dann sagte er plötzlich: »Als neulich unsere Studentengruppe in Bloemfontein zusammentraf, das heißt schwarze Studenten, sprachen wir neun verschiedene Sprachen. Zulu, Xhosa, Swasi, Sotho, Tswana, Fingo, Pondo, Venda und Tonga. Als Notlösung mußten wir Englisch verwenden.«
»Warum nicht Afrikaans?«
»Kann man Afrikaans verwenden, um über Freiheit zu diskutieren?«
»Afrikander tun es. Sie würden sterben, um ihre Freiheit zu bewahren.«
»Ist das nicht merkwürdig?« rief Nxumalo. »Vom ersten Tag an, als die Holländer am Kap landeten, kämpften sie um ihre Freiheit. Ihre ganze Geschichte, wie sie sie uns lehren, war ein unaufhörlicher Kampf um die Freiheit. Aber wenn wir sagen: >Als wichtigste Bewohner dieses Landes möchten wir Schwarzen frei sein<, sehen sie uns entsetzt an, nennen uns Kommunisten und greifen zu den Waffen, um uns niederzuschießen.« Sie fuhren einige Minuten lang schweigend über das Veld, das mit zahllosen kleinen Blumen übersät war, die leuchteten wie kostbare Edelsteine. »Philip«, fragte Nxumalo, »haben Sie sich mit den Gründen für die Ächtung Laura Saltwoods näher befaßt? Wissen Sie, warum die Regierung so streng gegen sie vorgegangen ist?«
»Nein. Ich sah nur eine öffentliche Bekanntmachung, dann nichts mehr.«
»Das ist Ächtung. >Dann nichts mehr.< Sie hat Schwarzen geraten, an der englischen Sprache festzuhalten und sich von der Regierung nicht Afrikaans aufzwingen zu lassen.« Er machte eine Pause, dann lachte er. »Sehen Sie, da haben wir das Dilemma. Afrikaans könnte eine nützliche Sprache für uns sein. Ich nehme an, Sie wissen, daß es auch die Sprache der Farbigen ist? Sie haben mitgeholfen, es zu erfinden, und die meisten von ihnen sprechen es.«
»Das klingt verworren.«
»ist es auch, philologisch, historisch, sozial und politisch.« Sie fuhren nun einen Kamm entlang, von dem man eine herrliche Aussicht hatte. Philip sah im Süden einen kleinen konischen Berg, und Nxumalo dirigierte ihn zu diesem: »Es gibt dort nur einen schmalen Pfad. Wenn viele Leute davon wüßten, müßte man das Gebiet vielleicht absperren. Es ist ein Schatz, wissen Sie.«
Nach einem kurzen Aufstieg kamen die Männer zu einer kleinen flachen Stelle, die auf der einen Seite von einem großen, überhängenden Felsen begrenzt wurde. Zuerst nahm Philip an, daß er zu einer archäologisch bedeutenden Höhle gebracht wurde, aber er fand keine Spuren von Grabungen und auch keine Scherben, die darauf hingedeutet hätten. Dann erkannte er allmählich auf der schrägen Wand die deutlichen Konturen eines riesigen Nashorns, dessen Panzer noch fünfzehntausend Jahre nach seiner Fertigstellung durch Farbflecken gekennzeichnet war. Trockenheit und Entlegenheit hatten dieses Meisterwerk geschützt, so daß sich sein ursprüngliches Aussehen nicht sehr verändert hatte.
Philip lehnte sich an einen Felsen und musterte das Kunstwerk. Da er etwas vom Zeichnen verstand, konnte er würdigen, wie vorzüglich der längst verstorbene Künstler, der Buschmann Gao, mit wenigen Linien so viel erreicht hatte: »Sehen Sie sich das an! Eine ununterbrochene Linie vom Maul bis zum Schwanz! Sehen Sie, wie er das ganze Hinterteil mit einem einzigen Schwung darstellt! Das war die Fahrt wert.«
Er schob einige Steine zusammen, so daß eine
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