Verheißenes Land
einigermaßen bequem hingekauert und einige Steine unter sich zur Seite gewischt, als das Gewitter losbrach. Blitze zuckten unter krachendem Donnern in wild gezackter Bahn über den Himmel und der Regen stürzte herab, als hätten sich hoch oben die Schleusen eines gewaltigen Staubeckens geöffnet.
»So weit ist es also mit mir gekommen, dass ich mich wie ein Landstreicher in einem Erdloch verkriechen muss«, murmelte Patrick bedrückt vor sich hin, während der Regen durch die Bäume rauschte. In seiner engen Höhle war an Schlaf nicht zu denken. Noch stundenlang lag er wach, grollte dem Stationsvorsteher, der ihm nicht hatte helfen wollen, und dachte über die seltsamen Wege des Schicksals nach, die ihn an diesen Ort geführt hatten.
Weshalb nur war er ohne Zögern Caitlins Aufforderung gefolgt und zu dieser Hafenkneipe gegangen, in der sie sich mit ihm hatte treffen wollen? Warum hatte er kein Misstrauen geschöpft, als er ihre geheimnisvolle Nachricht gefunden hatte? Es hätte ihm doch zu denken geben müssen, dass sie ihn unbedingt in jener Nacht noch sprechen musste und dann auch noch in einer Kaschemme, die im berüchtigtsten Viertel von New York lag! Wie hatte er bloß glauben können, dass sie Éanna helfen wollte? Schon in Dublin hatte sie ihr doch so übel mitgespielt und Brendan aus reiner Boshaftigkeit verführt. Er war so dumm gewesen! Wenn er zuerst mit Éanna über Caitlins Brief gesprochen hätte, wäre er nie auf der Sarah Lee gelandet, sondern jetzt mit ihr auf dem Weg in den Westen. Patrick krümmte sich verzweifelt zusammen. Es war hoffnungslos. Nie im Leben würde es ihm gelingen, noch rechtzeitig nach Independence zu kommen. Éanna würde mit dem Treck nach Westen ziehen und wahrscheinlich würde er sie nie wiedersehen. Durch seinen Leichtsinn und seine Gedankenlosigkeit hatte er alles aufs Spiel gesetzt!
Eine langbeinige Spinne, die über seinen Hals lief, weckte Patrick im Morgengrauen. Er hatte am Abend zuvor so heftig um seine verlorene Liebe geweint, dass er irgendwann vor Erschöpfung eingeschlafen war. Als er nun merkte, wie das kleine Tier über seine Haut krabbelte, schlug er reflexartig danach. Erschrocken wollte er aufspringen, stieß jedoch hart gegen die niedrige Decke. Er fluchte und kroch schnell ins Freie.
Benommen stolperte er zur Landstraße. Der kurze Schlaf hatte ihm keine neue Kraft geschenkt, sondern war unruhig und voll bedrückender Träume gewesen. Patrick streckte sich und versuchte, die verstörenden Gedankenfetzen zu verjagen. Im Wald hielt sich noch ein Rest Dunkelheit, aber die Sterne waren längst verblasst und die ersten Strahlen der Morgensonne tasteten sich durch die Bäume. Nasse Zweige strichen ihm durch das Gesicht, als er sich seinen Weg bahnte, und vom Boden stieg ein feuchter erdiger Geruch auf.
Er fragte sich gerade, welch neuen Kummer ihm dieser Tag wohl bringen würde, als er plötzlich das Knacken von Zweigen und einen kurzen heftigen Atemzug hörte.
Alarmiert fuhr er herum. Eine schattenhafte Gestalt sprang aus einem Gebüsch hervor und kam drohend auf ihn zu. In der hoch erhobenen Hand hielt sie einen dicken Ast. Patrick riss schützend den Arm hoch, schaffte es jedoch nicht mehr, dem Hieb auszuweichen. Das Holz krachte schmerzhaft auf seinen Oberarm und traf ihn seitlich am Kopf. Sofort platzte die Haut auf und Blut strömte aus der Wunde.
»Verdammt!«, schrie Patrick vor Wut und Schmerz, warf sich herum und rammte dem Angreifer mit aller Kraft die Faust in den Unterleib. Der Mann klappte röchelnd zusammen, presste einen Arm vor den Bauch und wankte auf ihn zu. Doch bevor er erneut angreifen konnte, entriss Patrick ihm den Prügel und stieß ihn damit zu Boden. Drohend hielt er den Knüppel über seinen Kopf und starrte den Angreifer schwer atmend an. Zu seinen Füßen lag ein etwa 20-jähriger Schwarzer, der mit großen angsterfüllten Augen zu ihm aufblickte.
»Zum Teufel, was hat das zu bedeuten? Und rühr dich bloß nicht von der Stelle, sonst schlag ich dir den Schädel ein!«, schrie Patrick. Er spürte, wie ihm das Blut aus der Platzwunde warm über das Ohr und am Hals hinunterfloss. Sein Schädel dröhnte und ihm war schwindlig, doch er bemühte sich, seiner Stimme einen drohenden Klang zu geben. Wütend blitzte er seinen Gegner an.
Aber noch bevor der Schwarze etwas sagen konnte, brach eine zweite Gestalt aus den Büschen hervor und rief beschwörend: »Tut ihm nichts, Massa! Er kann nichts dafür, es ist alles meine Schuld! Ich
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