Verheißenes Land
ihr euch die merkt, sollte es keine Probleme geben«, beruhigte sie der Händler. »Wenn ihr ›Hey! Hey!‹ ruft, trotten sie geradeaus los. Auf das Kommando ›Gee! Gee!‹ hin ziehen sie nach rechts und bei ›Haw! Haw!‹ nach links. Und wenn sie stehen bleiben sollen, ruft ihr ein lang gezogenes ›Stooop!‹. Es ist wirklich nichts dabei. Nur eines dürft ihr nicht tun.«
»Und das wäre?«, fragte Brendan.
»Die Tiere mit dem Stock oder der Peitsche schlagen. Tut das niemals, unter keinen Umständen!«, warnte sie der Händler. »Das gilt als unverzeihlich. Ihr werdet nicht nur die Verachtung der anderen Treiber auf euch ziehen, sondern auch aus einem guten Ochsen einen störrischen machen. Gebraucht die Bullpeitsche nur, um sie über den Köpfen der Tiere knallen zu lassen und Fliegen von ihren Ohren zu verjagen. Wenn das Leitgespann einmal nicht sofort auf ein Kommando reagiert, dann reicht ein sanfter Klaps mit dem Stock an die Flanke. Deshalb geht man als Treiber auch immer auf Höhe der Leittiere neben dem Gespann her. Ihr solltet Dobie und Tip«, er wies auf einen überwiegend weiß gefleckten und einen fast schwarzen Ochsen, »als Leittiere auswählen. Sie werden euch gute Arbeit leisten.«
Er erklärte ihnen noch, was die Ochsen an Futter und Wasser brauchten und worauf sie bei den Hufen zu achten hatten, und dann waren die Freunde auf sich gestellt.
Sie schwitzten Blut und Wasser, als sie nur mit Stöcken ausgerüstet die sechs Ochsen aus dem Pferch trieben und sich mit ihnen auf den Weg zur Werkstatt von Timothy Connelly machten. Zu ihrer Erleichterung trotteten die Ochsen jedoch willig zwischen ihnen über die belebte Straße, blieben zusammen und folgten ihren Anweisungen. Die Tiere blieben gelassen, obwohl Brendan und Liam aufgeregt und wohl öfter als nötig lauthals ihre Kommandos riefen. Trotzdem schlug Éanna drei Kreuze, als sie den Hof des Wagenmachers ohne Zwischenfälle erreichten. Die erste Bewährungsprobe mit den sechs Ochsen hatten sie gottlob ohne Blamage bestanden.
Timothy Connelly begutachtete die Ochsen mit Kennerblick und fand nichts an ihnen auszusetzen. »Da habt ihr einen guten Kauf gemacht. Ich hoffe für euch, dass sie den langen Treck unbeschadet überstehen. Aber das werden sie wohl«, sagte er zuversichtlich und zeigte ihnen dann, wie sie das Sechsergespann sachgerecht vor den Wagen spannen mussten und was sie beim An- und Ausschirren sowie bei der Pflege von Joch und Geschirr zu beachten hatten.
Die Sonne stand schon tief im Westen, als sie endlich so weit waren, mit ihrer Sweet Sallie hinaus vor die Stadt zu fahren und sich dort einen guten Lagerplatz zu suchen. Sie banden Maggie hinten an den Wagen und zogen los. Brendan und Liam gingen erneut als Treiber neben den beiden Leitochsen her, während Éanna und Emily oben auf der Jockey Box Platz nahmen. Hier bewahrten die Overlander ihr Werkzeug auf und sie konnte zugleich als Kutschbock dienen. Wie sie jedoch schon auf dem kurzen Weg vor die Stadt feststellten, war es alles andere als angenehm, hier zu sitzen. Éanna und Emily wurden tüchtig durchgeschüttelt und waren froh, als sie ihren Lagerplatz endlich erreicht hatten.
Das Feld im Westen vor Independence war mittlerweile übersät von kleinen und großen Wagengruppen, die vor der Stadt auf ihren Aufbruch nach Oregon oder Kalifornien warteten. Die Freunde suchten sich eine Stelle in der Nähe des kleinen Bachlaufes und in Sichtweite von Nathan Palmers Armeezelt. Hier gab es noch viel freies Gelände, auf dem sie in den nächsten Tagen fern von kritischen Augen mit Wagen und Gespann üben konnten. Als sie einen guten Platz gefunden hatten, dauerte es noch eine ganze Weile, bis sie die Ochsen ausgespannt, sie von ihrem Joch befreit sowie mit Pflöcken und Seilen einen provisorischen Pferch abgesteckt hatten, in dem die Tiere grasen konnten.
Es wurde schon dunkel, als Emily und Éanna endlich ein Feuer entfachten und ein schnelles Gericht aus Bohnen, Speck und Kartoffeln zubereiteten. Unterdessen säuberten Brendan und Liam den Platz neben dem Wagen von allen Steinen, schnitten in einem nahen Waldstück Birkenäste zurecht und spannten die Zeltplane auf. Ihr Zelt bot zwei Personen Platz, weshalb sie übereingekommen waren, dass immer zwei von ihnen im Wagen und zwei im Zelt schlafen sollten. Jede Woche wollten sie die Schlafplätze tauschen. Emily und Liam hatten das Los für die erste Woche im Prärieschoner gezogen.
Vorerst gab es im Wagen noch genügend
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