Verheißenes Land
in ihr Quartier zurückkehrten, hatte Bettie Fisher eine Nachricht für sie.
»Mister Connelly hat am Nachmittag einen seiner Gehilfen zu mir geschickt und ausrichten lassen, dass ihr morgen in der Früh zu ihm kommen sollt«, teilte sie ihnen mit. »Aber fragt mich nicht, was er mit euch bereden möchte, dazu hat er nichts gesagt.«
Verblüfft schauten sich Éanna und Brendan an. Sie konnten sich keinen Reim darauf machen, warum er nach ihnen geschickt hatte. Alles, was sie ihren Freunden zu berichten wussten, war, dass Mister Connelly zu den besten Wagenmachern von Independence gehörte – und dass er viel zu teuer für sie war.
»Aber was will er denn von euch, wenn er weiß, dass wir ihm keinen Wagen abkaufen können?«, fragte Emily verwirrt.
Brendan zuckte die Achseln. »Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung.«
Am nächsten Tag brachen die vier Freunde schon im Morgengrauen auf und machten sich auf den Weg zu Timothy Connelly, ohne sich auch nur die Zeit für einen Kaffee zu nehmen. Éanna hatte den Großteil der Nacht wach gelegen und darüber gegrübelt, was der Wagenmacher wohl von ihnen wollte. Doch ihr war beim besten Willen kein Grund eingefallen, warum er sie zu sich bestellt hatte. Als sie in aller Herrgottsfrühe in seiner Werkstatt auftauchten, hatte Mister Connelly gerade das große doppelflügelige Tor aufgesperrt.
»Na, da seid ihr ja wirklich mit den Hühnern aus dem Bett gesprungen«, begrüßte er sie. »So früh habe ich noch nie Kundschaft gehabt!«
»Sind wir ja auch nicht, leider«, sagte Éanna.
»Das wird sich noch zeigen«, erwiderte Timothy Connelly geheimnisvoll. »Vielleicht werden wir ja doch handelseinig.«
»Wie soll das gehen?«, fragte Brendan erstaunt. »Ihr wisst doch, dass wir uns keinen Wagen von Euch leisten können, so gern wir auch möchten.«
Der Wagenmacher strich sich über das Kinn. »Also, die Sache verhält sich so. Vor anderthalb Wochen habe ich einen meiner Wagen an ein Ehepaar aus Baltimore verkauft. Vorgestern jedoch ist der Ehemann der armen Frau gestorben. Ein entzündeter Blinddarm, der durchgebrochen ist. Da war auch mit Schneiden nichts mehr zu machen.«
»Oh Gott, wie entsetzlich!«, wisperte Emily betroffen.
Der Wagenmacher nickte. »Ja, ein bitterer Schlag.« Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: »Die Witwe war nach der Beerdigung bei mir. Ohne ihren Mann will sie die Reise nicht machen, sondern wird zu ihrer Schwester ziehen. Ich kann ihr das nicht verdenken. Gestern hat sie dann angefragt, ob ich möglicherweise willens sei, den Wagen wieder zurückzunehmen, da sie sich in ihrem tiefen Kummer nicht in der Lage sieht, sich nach einem privaten Käufer umzusehen.«
Augenblicklich keimte Hoffnung in Éanna auf. Vielleicht war es ihnen doch noch möglich, einen Wagen von Timothy Connelly zu erwerben! Sie hing nun förmlich an seinen Lippen.
»Ich bin ihrer Bitte nachgekommen und sie hat darauf bestanden, dass ich ihr nicht die vollen hundert Dollar zurückzahle. Das sei nur recht und billig. Nun, wir haben uns schließlich auf fünfundachtzig Dollar geeinigt. Und da ich mit dem Tod ihres Mannes kein Geschäft machen will, habe ich an euch gedacht. Wenn ihr also fünfundachtzig Dollar aufbringen könnt, gehört der Wagen euch. Er ist nagelneu, ohne einen Kratzer. Na, was sagt ihr?«
»Wir kaufen ihn!«, rief Éanna freudestrahlend und hätte den Mann am liebsten umarmt. Welch ein Glück sie hatten! Erst den Tipp von den MacDonalds zu erhalten und jetzt wirklich in den Besitz eines solch guten Wagens zu kommen. Denn fünfundachtzig Dollar waren exakt die Summe, die sie für einen Prärieschoner eingeplant hatten.
»Ich weiß nicht, ob ihr die Sitte kennt, aber bei den Overlandern ist es allgemein üblich, seinem Wagen einen Namen zu geben«, fügte Timothy Connelly bei der Abwicklung des Kaufes noch hinzu. »Die Mitchells haben ihn Sweet Sallie genannt. Es ist natürlich eure Sache, ob ihr den Wagen umtaufen wollt. Aber manche halten das für ein schlechtes Omen. Vielleicht ist es keine so dumme Idee, den Namen beizubehalten.«
»Der Name bleibt!«, verkündete Brendan, und als er in die Runde blickte, sah er nur ungeteilte Zustimmung. »Sweet Sallie, das hat doch was.« Und mit einem verschmitzten Augenzwinkern zu Éanna fügte er leise hinzu: »Obwohl mir Sweet Éanna auch nicht schlecht gefallen hätte!«
Zwölftes Kapitel
Sie ließen den Wagen erst einmal in der Werkstatt und machten sich auf den Weg, um Zugochsen und Reitpferd
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