Verheißenes Land
Ich kann nur von dem schreiben, was ich selbst erlebt oder von dir erzählt bekommen habe. Damit kann man sich in interessierten Kreisen einen ehrbaren Ruf erringen und sich gelegentlich ein hübsches Zubrot verdienen. Aber meinen Lebensunterhalt und das meiner Familie, so ich denn einmal eine habe, werde ich mit der Feder kaum bestreiten können.«
Éanna wusste nicht, was sie sagen sollte. Jede Äußerung, die ihr durch den Kopf ging, erschien ihr falsch und gekünstelt, egal wie sie diese auch in Gedanken formulierte.
Da sie schwieg, fuhr er nach einem Moment des Abwartens fort: »Es ist deshalb in jeder Hinsicht gut, dass ich auf den Trail nach Westen gegangen bin. Dort werde ich einen Neuanfang machen und einer richtigen Arbeit nachgehen. Ich werde das Schreiben nicht aufgeben, aber es wird künftig nur noch meine Nebenbeschäftigung sein. Die Seligmanns haben mir angeboten, mit ihnen eine große Obstplantage aufzubauen und bei dem Unternehmen Teilhaber zu werden. Ich verstehe mich wirklich gut mit ihnen und habe auch noch einiges Geld, das ich dort anlegen kann. Außerdem erwarte ich eine ordentliche Summe von meinem Verleger. Wenn ich mich ihrem Vorhaben anschließe, so ist ihnen wie mir gedient. Und was ich für die Arbeit wissen muss, werden sie mir beibringen.«
»Dann willst du also mit ihnen nach Oregon?«
»Das hängt allein von dir ab, Éanna.«
Éanna erschrak und wand sich förmlich unter seinem eindringlichen Blick. Niemals hatte sie damit gerechnet, dass er sie so direkt vor die Wahl stellen würde! Doch als sie ihn ansah, blickte er nicht fordernd, sondern aus seinen Augen sprach nichts als sanfte Liebe für sie. »Das ist nicht fair, Patrick!«, sagte sie mit gepresster Stimme. »Ich habe dir nie etwas vorgemacht. Du weißt doch, dass ich mit Brendan zusammen bin und ich …«
»Das Leben ist nun mal nicht fair, Éanna«, unterbrach er sie. »Denn sonst sähe die Welt anders aus, friedlicher und gerechter und liebevoller. Aber offen die Wahrheit auszusprechen, das ist fair. Und die Wahrheit ist, dass ich dich liebe, und zwar so, wie man einen anderen Menschen nur lieben kann!«
»Patrick, bitte!«, flehte sie in dem Versuch, sein Bekenntnis zu unterbrechen.
»Nein, ich muss das jetzt einfach loswerden, auch wenn du mich hinterher zum Teufel schickst«, erwiderte er energisch. »Die Wahrheit ist auch, dass ich dir alles andere als gleichgültig bin. Das spüre ich, Éanna! Und wahr ist außerdem, dass du alles andere als glücklich bist. Ich kenne dich nun schon so lange, und wann immer ich dich in den letzten Wochen mit Brendan zusammen gesehen habe, war auf euren Gesichtern nichts als Unmut und Verdrossenheit zu entdecken. Von wegen Liebe und Zuneigung! Und erzähl mir nicht, dass die Strapazen des Trecks an euch zehren. Denn was für ein Bild geben dagegen Emily und Liam ab! Die beiden nenne ich ein Paar, das im wahrsten Sinne des Wortes ein Herz und eine Seele ist! Sie ertragen dieselben Beschwerlichkeiten wie ihr beide und sind dennoch fröhlich und glücklich miteinander. Ihnen sieht man die Zuneigung, die sie füreinander empfinden, auch an! Bei euch hingegen hat man den Eindruck, dass ihr froh seid, wenn jeder seiner eigenen Wege gehen kann!«
Éanna fühlte, wie ihr heiß das Blut ins Gesicht schoss. Unter Patricks heftigen Worten, die so viel schmerzhafte Wahrheit enthielten, kam sie sich entblößt und auch ertappt vor. Aufgebracht setzte sie zu einem erregten Einspruch an.
Doch Patrick kam ihr zuvor. »Ich will dir nicht wehtun, Éanna«, redete er schnell weiter. »Und es steht mir auch nicht zu, über dich und Brendan zu urteilen. Aber ich musste mir das einfach von der Seele reden. Mir liegt viel zu viel an dir, als dass ich dich unglücklich sehen möchte. Du hast es verdient, glücklich zu werden. Und auch Brendan verdient eine Frau, für die es keinen anderen gibt. Manchmal fürchte ich, dass du das, was du für mich empfindest, eisern in deinem Herzen hältst und ihm keine Chance gibst, nach außen zu dringen. Warum du das tut, weiß ich nicht. Vielleicht, weil du dich Brendan einmal versprochen hast und nun glaubst, dein Wort nicht brechen zu dürfen. Aber vielleicht auch, weil du noch immer meinst, dass die Klassenunterschiede zwischen uns unüberbrückbar sind. Aber das ist doch völliger Unsinn. Wir sind nicht mehr in der Alten Welt, in Irland, wo Herkunft und Stand die Wahl des Ehepartners bestimmen. Hier in Amerika, und erst recht im Westen, zählt nicht mehr, aus
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