Verheißenes Land
Niederlassung zu erwerben und zum Schutz des Oregon-Kalifornien-Trails zu einem starken Armeeposten auszubauen.
Die Blauröcke der US-Kavallerie und die amerikanische Flagge, die hoch über den Palisaden wehte, waren allen im Zug ein willkommener Anblick. Die vielen Indianer, die sich vor dem Fort und zwischen einem halben Dutzend großer Tipis herumtrieben, beäugten sie nach dem nächtlichen Überfall jedoch mit großem Misstrauen.
»Bringen wir erst einmal den unangenehmen Teil hinter uns und übergeben die beiden Pinkertons dem Kommandanten des Forts«, sagte Peer Erickson, nachdem sie die Prärieschoner zu ihrer gewohnten Wagenburg aufgestellt hatten – und zwar mit reichlich Abstand zu den kegelförmigen Zelten der Sioux.
In Begleitung der anderen Zugräte brachte er die beiden Gefangenen zum kommandierenden Offizier. Als dieser hörte, was sich eine halbe Tagesreise hinter Scotts Bluff ereignet hatte, nahm er sofort eine ausführliche Befragung vor, die für die spätere Gerichtsverhandlung protokolliert wurde. Auf die Vorhaltungen von Jack Cummings hin, der sein unrechtmäßiges Vorgehen erregt verteidigte, ließ er Winston Talbot zu sich rufen und prüfte seinerseits, ob die Beschreibung und die Skizze des Steckbriefes zweifelsfrei auf diesen zutrafen. Aber auch er kam zu dem Schluss, dass die Angaben nicht genau genug waren, um in Winston Talbot den gesuchten Bankprokuristen erkennen zu können. Und damit ließ er die beiden Pinkerton-Agenten ins Gefängnis bringen und schickte nach dem Armeearzt, damit sich dieser der Verletzung von Jack Cummings annahm.
»Jetzt haben wir die Kerle endgültig vom Hals!«, sagte der Schwede erleichtert, als er mit den anderen Ratsmitgliedern aus der Baracke des Kommandanten hinaus auf den großen Innenhof trat. Um den freien Platz herum gruppierten sich die Unterkünfte der Soldaten sowie Stallungen und andere niedrige Gebäude. Zu Letzteren gehörten auch eine kleine Poststation und ein privat geführter Kaufladen, dessen Besitzer für die Versorgung der Armee mit allem Lebensnotwendigen verantwortlich war, aber auch gute Geschäfte mit Trappern, Indianern sowie durchreisenden Siedlern und Goldgräbern machte.
Der Laden war an diesem Nachmittag gut besucht. Denn so mancher Overlander ihres Wagenzuges hoffte, hier seine schon arg zusammengeschrumpften Vorräte auffüllen und frische Produkte erstehen zu können. Dies war allerdings nur jenen möglich, die eine gehörige Summe Geld hatten zurückbehalten können.
»Allmächtiger, bei diesem Halsabschneider kriegt man für fünf Dollar ja kaum das, was in Independence gerade mal einen gekostet hat«, hörte Éanna, wie Agnes Russell sich beschwerte, als sie aus dem Laden kam. »Das ist der reinste Wucher, den der Kerl betreibt!«
»Aber er ist immer noch billiger als die Händler in den Goldgräberstädten, wie ich gehört habe«, sagte ein Fremder, der unter dem Vordach stand und sich seine Pfeife stopfte. »Das wahre Gold wird dort an den Ladentischen der Krämer gewonnen. Aber wenigstens ist der Klatsch kostenlos, den man in seinem Laden zu hören bekommt, und die neuesten Nachrichten aus Oregon und Kalifornien.«
Éanna überzeugte sich selbst davon, dass die Preise tatsächlich so unerschwinglich waren, wie Agnes Russell behauptet hatte. Leider erwies sich deren Entrüstung als mehr als gerechtfertigt. Éanna hatte einige Konservendosen mit eingemachtem Obst kaufen wollen, aber diesen Luxus konnten sie sich von ihrem wenigen Geld auf keinen Fall leisten.
Als sie sich wieder auf den Weg zurück zur Wagenburg machte, stieß sie am Tor auf Emily und Liam. Beide strahlten sie Hand in Hand überglücklich an und dieses Strahlen hielt zu ihrer Verblüffung auch an, nachdem Éanna ihnen von ihrem enttäuschenden Besuch im Fortladen berichtet hatte.
»Was ist denn mit euch los?«, fragte sie schließlich verwundert. »Ich erzähle euch, dass wir das mit dem Konservenobst vergessen können, und ihr macht Gesichter, als hättet ihr das große Los gezogen.«
»Das haben wir ja auch – miteinander!«, versicherte Liam und schaute Emily mit einem derart verliebten Blick an, dass es Éanna einen neidvollen Stich versetzte.
»Stell dir vor Éanna, wir werden heiraten!«, platzte Emily nun heraus.
»Na ja, das ist ja wohl keine Neuigkeit«, meinte Éanna, hatten die beiden doch schon des Öfteren davon gesprochen, dass sie gleich nach ihrer Ankunft im Westen den heiligen Bund der Ehe eingehen wollten.
»Auch nicht, dass
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