Verheißenes Land
unsere Hochzeit schon morgen hier im Fort stattfindet?«, fragte Liam verschmitzt.
Nun machte Éanna große Augen und konnte es gar nicht glauben. »Was, schon morgen?«, rief sie verblüfft und blickte ihre Freundin an. Emily nickte freudestrahlend. »Aber wer soll denn die Trauung vornehmen? Der Kommandant kann euch doch keinen Ehesegen geben! Und ohne den wollt ihr doch bestimmt nicht heiraten, oder?«
»Natürlich nicht«, pflichtete ihre Freundin ihr lächelnd bei. »Aber der Jesuitenpater, der mit zwei Brüdern seines Ordens auf Missionsreise unterwegs ist und zufällig gestern hier eingetroffen ist, kann es. Wir haben schon mit ihm gesprochen und er ist einverstanden.«
Und Liam fügte nicht weniger freudig hinzu: »Er wird uns morgen zwei Stunden nach dem Morgenappell der Soldaten trauen. Wir müssen nachher noch mal zu ihm, um die Einzelheiten zu besprechen und ihm zu sagen, für welchen Trauspruch wir uns entschieden haben.«
»Ihr habt es aber plötzlich sehr eilig«, meinte Éanna, zwinkerte ihrer Freundin zu und fragte grinsend: »Gibt es dafür vielleicht einen bestimmten Grund?«
»Nicht so, wie du es meinst. Aber wir wollen es nicht länger aufschieben, weil wir …«, Emily stockte kurz und eine verlegene Röte überzog ihr Gesicht, als sie schließlich fortfuhr, ». . . weil wir richtig Mann und Frau füreinander sein wollen, du weißt schon.«
Liam schoss nun ebenfalls das Blut ins Gesicht, was bei ihm im Gegensatz zu Emilys zarter Farbe eine geradezu flammende Röte bewirkte, die sogar seine Ohren erglühen ließ.
Auch Éanna war plötzlich peinlich berührt. Sie wusste sehr gut, was Emily meinte, und hatte sofort das Bild vor Augen, das sich ihr in jener Nacht des großen Sturms durch den Spalt der Wagenplane dargeboten hatte. Dieser Anblick war ihr seitdem nicht mehr aus dem Kopf gegangen, ja er war für sie fast zum Symbol für das grenzenlose Vertrauen und die hingebungsvolle Liebe ihrer beiden Freunde geworden.
»Liam und ich stellen es uns einfach wundervoll vor, unter freiem Himmel und im Angesicht der schneebedeckten Berge zu heiraten«, redete Emily hastig weiter, um ihre Verlegenheit zu überspielen. »Uns hier mitten in der Natur die Treue zu schwören, wird unserer Ehe mindestens so viel Segen bringen wie eine Hochzeit in der Kirche. Und es passt einfach wunderbar zu dem neuen Leben, zu dem wir uns mit dem Trail nach Westen entschlossen haben. Es wird sicherlich eine Zeremonie sein, die wir niemals vergessen werden!«
Éanna griff nach den Händen ihrer Freunde und drückte sie herzlich. »Ich freue mich so sehr für euch und ich weiß, dass ihr glücklich miteinander sein werdet.«
Emily strahlte. »Du wirst natürlich einer unserer Trauzeugen! Und wir werden Peer Erickson bitten, der zweite zu sein.«
»Es wird mir eine Ehre sein«, versicherte Éanna, die sehr wohl registrierte, dass der Schwede und nicht Brendan der zweite Trauzeuge sein sollte. Aber das war die Sache des Brautpaares und sie lächelte ihnen zu, obwohl ihr alles andere als fröhlich zumute war. Denn das wunschlose Glück, das ihr von Emily und Liam entgegenstrahlte, rief ihr schmerzlich in Erinnerung, wie zerrissen ihr eigenes Herz war. Das Gespräch mit Patrick auf dem Chimney Rock ging ihr nicht aus dem Kopf. Wie sollte sie sich jemals ganz zu Brendan bekennen, wenn sie ständig an einen anderen denken musste? Doch es lag nicht allein daran; ihr Verhältnis zu Brendan war nicht erst seit der letzten Begegnung mit Patrick angespannt, sondern schon lange davor schwierig gewesen.
Seit jenem Tag hatte sie Patrick nicht mehr unter vier Augen gesprochen. Genau genommen hatte sie bis auf das kurze Gespräch nach dem Überfall kein einziges Wort mehr mit ihm gewechselt. Wie er damals gesagt hatte, hielt er sich nun bewusst von ihr fern, und seine Nähe fehlte ihr mehr, als sie sich eingestehen wollte.
Als die Nachricht von der bevorstehenden Hochzeit im Lager die Runde machte, entschied sich kurz entschlossen ein zweites junges Paar, am nächsten Vormittag vor dem Ordenspater das Ehegelöbnis abzulegen.
»Wir bekommen also gleich eine Doppelhochzeit«, freute sich Peer Erickson. »Das muss natürlich gefeiert werden!«
Das war auch die Meinung der anderen Männer und Frauen ihres Wagenzuges. Eine Präriehochzeit war für jede Gruppe Overlander ein ganz besonderes Ereignis und verlangte nach einem großen, fröhlichen Fest. Begeistert begrüßten die Reisenden die Gelegenheit, die Mühen des Trails zumindest
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