Verheißung Der Nacht
Kaffee lag in der Luft. Zwei Teller standen auf dem Tisch, dazu Gabeln und Servietten. Auf jedem der Teller lag ein großes Stück Kuchen, und mitten auf dem Tisch, neben der Zuckerdose und dem Kännchen mit Milch, stand eine Flasche Courvoisier.
Reid saß am Tisch und starrte auf seine verschränkten Hände. Sein Haar sah dunkler aus, als Cammie es in Erinnerung hatte, doch es war noch naß. Da ihr eigenes langes Haar schon fast trocken war, hatte er sicher gewartet, bis sie fertig war mit ihrem Bad, ehe er geduscht hatte. Er trug jetzt ein weiches, verwaschenes Chambray-Hemd und Jeans, die noch heller waren. Im Vergleich dazu hatten seine Augen die Farbe von leuchtendem Türkis, doch blickten sie hart wie Stein.
Reid stand auf, als Cammie ins Zimmer kam; er rückte ihr einen Stuhl zurecht, dann ging er zur Anrichte und füllte zwei Keramiktassen mit Kaffee. Eine davon stellte er vor Cammie, dann griff er nach der Flasche mit dem Brandy.
»Nein, danke, nicht für mich«, wehrte Cammie schnell ab.
»Fang doch nicht schon wieder damit an.«
Er sprach, ohne sie dabei anzusehen, und er hielt auch in seinem Vorhaben nicht inne. Der Ton seiner Stimme erstickte jeden Protest, und Cammie sah ihm schweigend zu, während er eine ansehnliche Menge des Alkohols in ihre Tasse goß. Sie griff nach der Kaffeesahne und rührte sie unter die Mischung, während sie darauf wartete, dass er sich wieder setzte.
Schwierige Dinge sollte man gleich in Angriff nehmen, ohne lange zu zögern. Cammie biß sekundenlang auf ihre Unterlippe, dann sprach sie: »Es tut mir leid, wenn ich dich mit meiner Bemerkung von vorhin verletzt habe. Anscheinend ist es mir zur Gewohnheit geworden, jemandem mit Worten an die Kehle zu gehen.«
»Das war es schon immer.« Er verzog ein wenig den Mund, als er sich wieder setzte. »Du warst auch schon mit sechzehn so gefährlich mit deinen Worten.«
»Du meinst ... eigentlich erinnere ich mich gar nicht mehr so gut an diesen Tag.« Eine heiße Röte stieg ihr in die Wangen.
Als er sie ansah, blitzte etwas in seinen Augen auf. »Wirklich nicht? Ich könnte dir noch den genauen Wortlaut von dem wiederholen, was du mir damals gesagt hast, aber ich habe das meiste davon erfolgreich verdrängt. Endlich. Du hast meine Vorfahren beleidigt, hast behauptet, ich sei ein eingebildeter Dummkopf, mein Kuss sei viel zu feucht und ich hätte Mundgeruch.«
»Das kann nicht wahr sein«, behauptete sie erschrocken.
»Doch, es stimmt«, antwortete er. »Du hast auch gesagt, wenn ich dich noch einmal anrühren würde, würdest du alles zusammenschreien - oder dich übergeben.«
Cammie blickte in ihre Tasse, ihre Hände zitterten ein wenig, als sie die Tasse an ihre Lippen hob. »Der Grund dafür war, dass du mich überrascht hattest.«
»Du hast mich auch überrascht, und ich habe mir geschworen, dass mir so etwas nie wieder passieren würde. Deshalb war ich vorhin vielleicht auch ein wenig grob.«
»Verstehe. Dann war es also eher so eine Art Selbstschutz.«
»Ich bin schon einmal zur Armee gegangen, um von hier wegzukommen, oder vielmehr, um den Dingen zu entfliehen, die du an diesem Tag gesagt hattest, und der Art, wie du mich angesehen hast. Es hat sich als reichlich drastische Maßnahme erwiesen, ich möchte das nicht noch einmal tun müssen.«
»Du machst doch Spaß«, wehrte Cammie ab, doch dann wurden ihre Augen ganz groß. »Oder etwa nicht?«
»Glaubst du?« forderte er sie heraus, und sein Blick hielt ihren gefangen.
Cammie wusste es nicht, und es beunruhigte sie noch mehr, wenn sie daran dachte, wie sie möglicherweise sein Leben beeinflußt hatte. Sie holte tief Luft. »Wenn du glaubst, dass ich mich noch einmal dafür entschuldige, ganz besonders nach all den Jahren noch, dann muss ich dich leider enttäuschen. Du ... du bist damals viel zu schnell auf mich losgegangen.«
»Und ich habe bekommen, was ich verdient hatte. Lass die Sache ruhen. Ich hatte noch viele andere Gründe, um aus Greenley zu verschwinden, aber all das ist jetzt nicht mehr so wichtig.« Er griff nach seiner Tasse, die langen, goldbraunen Augenwimpern verbargen seine Blicke vor ihr.
Für sie waren seine Gründe wichtig, sogar sehr, wie ihr plötzlich bewußt wurde. Doch sie konnte ihn nicht noch weiter bedrängen, nicht nach dem, was er gesagt hatte. Sie nahm noch einen Schluck von ihrem Kaffee und verzog das Gesicht, als der Brandy in ihrem Hals brannte. Eine angenehme Wärme breitete sich in ihrem Körper aus. Sie trank einen
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