Verheißung Der Nacht
weiteren Schluck, bevor sie erneut sprach.
»Diese anderen Gründe, hatten sie vielleicht etwas mit der Papierfabrik zu tun?«
Reids Blick war nachdenklich. »Ich glaube, es war damals kein Geheimnis, dass ich auf keinen Fall dort arbeiten wollte.«
»Und jetzt? Nachdem dein Vater gestorben ist? Wirst du seinen Platz in der Fabrik übernehmen?«
»Das erwartet man anscheinend von mir.«
»Aber nicht alle«, antwortete sie. »Keith hat immer gehofft, dass du nicht zurückkommen würdest. Immerhin ist er zum stellvertretenden Geschäftsführer befördert worden, als sein Bruder die Leitung der Fabrik übernahm.«
Reid nickte. »Gordon hat noch nicht davon gesprochen, ob die beiden ihren Posten behalten wollen.«
»Das wird er wohl auch nicht tun. Reiths Bruder ist ein guter Diplomat.«
»Er ist aalglatt«, stimmte Reid ihr zu.
»Natürlich ist er ein guter Geschäftsmann«, gab sie brummend zu. »Ich nehme an, er wird abwarten, wie du dich entscheidest.«
Cammie hatte sich nie sehr viel aus Gordon Hutton gemacht. Er schien zu glauben, seine unterwürfige Frau sei ein Musterbeispiel ihrer Art. Immer wieder hatte er Keith geraten, wie er mit Cammie umgehen müßte, damit auch sie in das Bild der perfekten Ehefrau paßte. Manchmal, wenn Cammie besonders unverblümt war, schien es, als könnte Gordon sich nur mit Mühe davon abhalten, ihr zu demonstrieren, wie man mit einer ungehorsamen Frau umging.
»Keith war ein netter Junge«, meinte Reid jetzt. »Damals, als wir noch zusammen Football spielten. Lizbeth hatte mir von eurer Heirat geschrieben. Und von ihr habe ich auch erfahren, dass ihr euch getrennt habt.«
Seine Meinung von Keith war sehr großzügig; Cammie erinnerte sich nur zu gut an diese Footballspiele. Reid war der Quarterback gewesen, er wurde von Keith gedeckt. Keith war sehr schnell und geschmeidig, doch war er auch ein riesengroßer Aufschneider, immer darum bemüht, den anderen die Schau zu stehlen.
»Lizbeth?« fragte Cammie vorsichtig.
Reid deutete auf den Kuchen, den sie beide noch nicht angerührt hatten. »Sie ist seit dreißig Jahren Köchin und Haushälterin für die Sayers. Nachdem meine Mutter gestorben war, hat sie an mir die Mutterstelle vertreten. Sie hat mich über alles in Greenley auf dem laufenden gehalten, während ich weg war.«
Cammie wusste , wen er meinte, sie hatte die Frau schon oft in Greenley gesehen. Lizbeth war eine stattliche Schwarze mit langem Haar, das sie geflochten zu einem Kranz um den Kopf trug. Ihre Haut hatte die Farbe goldenen Tabaks, unter ihresgleichen galt sie als hellhäutig. Cammie wartete darauf, dass Reid weitersprach, doch als sie aufblickte, merkte sie, dass er sie beobachtete.
Schnell blickte er weg, rieb verlegen mit dem Finger über den Henkel seiner Kaffeetasse. »Und, was ist geschehen?« fragte er.
»Mit meiner Ehe?« Ein spöttisches Lächeln spielte um Cammies sinnlichen Mund. »Sie war von Anfang an ein Fehler. Während meines letzten Collegejahres fingen Keith und ich an, miteinander auszugehen, und alle schienen zu glauben, dass wir das perfekte Paar seien. Eines Tages schenkte er mir einen Ring, und mir fiel kein plausibler Grund ein, sein Geschenk zurückzuweisen. Und dann erinnere ich mich nur noch, dass ich mir den Reis aus dem Haar bürstete und die Pille nahm.«
Cammie warf Reid einen verstohlenen Blick zu, doch sein Gesicht war nach wie vor ausdruckslos. Natürlich hatte sie ihm längst nicht alles erzählt. Manchmal hatte sie das Gefühl, als hätte sie seit Jahren in der Versenkung gelebt und nur darauf gewartet, dass ihr Leben endlich begann. Die Heirat mit Keith war ein schwacher Versuch gewesen, sich aus dieser Umklammerung zu befreien. Es hatte nicht geklappt, und das war nicht allein Keiths Fehler.
Cammie erzählte weiter. »Nach meiner Eheschließung fand ich irgendwann heraus, dass man von mir erwartete, in den Hintergrund zu treten und mich weder sehen noch hören zu lassen.«
»Und das hast du nicht getan.« Es war eher eine Feststellung, weniger eine Frage.
»Unsere Streitereien über dieses Thema sind schon zur Legende geworden. Aber Keith hat ein dickeres Fell als du.« Sie hatte eigentlich nicht mehr von damals sprechen wollen, doch wahrscheinlich hatte der Brandy ihre Zunge gelöst. Schnell sprach sie weiter, noch ehe Reid etwas sagen konnte. »Aber wie steht es mit dir? Warum hast du eigentlich nie geheiratet?«
Reid bewegte die Schultern, als wolle er die Muskeln in seinem verspannten Nacken lockern.
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