Verheißung Der Nacht
wenn es dir nichts ausmacht. Und ich möchte heute nacht allein sein.«
Er sagte nichts mehr, und in seinem Schweigen lag eine Nachdenklichkeit, als lauschte er auf den Widerhall von Bedeutung in ihrer Stimme, ein Echo, das sogar sie nicht hören konnte. Oder als wägte er Ronsequenzen und Strömungen ab, die sie nicht benennen konnte.
Schließlich sagte er: »Schlaf, wenn du kannst. Verbanne alles aus deinen Gedanken. Denk an gar nichts mehr. Es hat keinen Zweck, sich Sorgen über etwas zu machen, was du sowieso nicht mehr ändern kannst.«
»Sprichst du aus Erfahrung mit gewalttätigen Todesfällen?«
Ein Anflug von Erschöpfung lag in seiner Stimme. »Wovon sonst?«
Sie hörte nicht, dass er ging, aber als sie sich einen Augenblick später umwandte, war er nicht mehr da.
Die Beerdigung fand zwei Tage später statt. Sie hätte schon früher sein können, wurde jedoch durch die Autopsie verzögert.
Reiths Familie war bemüht, alles so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, um der Sensationsgier ein Ende zu bereiten. Die Anrufe und Besuche der neugierigen Menschen schienen nicht enden zu wollen. Mit jeder Stunde wurde die Menschenmenge größer, die sich um die Trauerhalle versammelt hatte. Wenigstens vier Zeitungen hatten um die Erlaubnis gebeten, bei der Beerdigung dabeisein zu dürfen.
Cammie hatte diese Information auf dem üblichen Weg bekommen, aus der Gerüchteküche. Sie war nicht sicher, ob sie sie glauben sollte. Sie überlegte, ob sie überhaupt an der Beerdigung teilnehmen sollte, das Letzte, was sie jetzt noch brauchte, war ein Reporter, der die trauernde Witwe befragen wollte. Doch am Ende konnte sie nicht gegen ihr Pflichtgefühl und gegen die Tradition ankämpfen. Wäre sie der Beerdigung ferngeblieben, wäre das sicher der An Lass für weitere Gerüchte gewesen, und außerdem hatte sie das Gefühl, sie sei es Keith schuldig, für die Jahre, die sie zusammengelebt hatten.
Beinahe genauso schwer fiel es ihr, sich zu entscheiden, was sie anziehen sollte. Die schwarze Kleidung der Witwe schien eher wie ein Hohn zu sein, doch etwas Buntes anzuziehen, würde einen Mangel an Respekt beweisen oder vielleicht sogar als Auflehnung mißverstanden werden. Sie entschied sich schließlich für ein taubengraues Jackenkleid mit einer Seidenbluse und hoffte, es wäre unauffällig genug.
Eine Beerdigung in Greenley war ein eher förmliches gesellschaftliches Ereignis. Der Verstorbene lag aufgebahrt in einem Raum des Bestattungsunternehmers, ehe der Trauergottesdienst begann. Die nächsten Verwandten standen neben der Bahre, um die Beileidsbezeugungen entgegenzunehmen. Kurze Umarmungen, Schulterklopfen und leise Worte des Mitleides wurden ausgetauscht, Tränen und Trauer zeigte man nur leise, obwohl Papiertaschentücher bereitlagen. Die Anzahl und der Umfang der Blumengestecke und Kränze wurde als Anzeichen dafür gewertet, welche gesellschaftliche Stellung der Verstorbene eingenommen hatte, und man achtete sehr auf die Ausstattung und die Dekoration des Sarges.
Der Trauergottesdienst für Keith wurde begleitet von Gos- pelsongs, die seine Mutter ausgesucht hatte. Nach einer kurzen Würdigung seines Lebens folgte eine Predigt, die so inbrünstig war, dass man jeden Augenblick damit rechnete, der Prediger würde die Leute auffordern, seiner Kirche beizutreten.
Cammie kam absichtlich zu spät zum Gottesdienst, damit sie nicht gezwungen war, vorher mit den Leuten zu reden. Sie konnte jedoch nicht dem Fotografen ausweichen, der ihr in den Weg trat, als sie aus der Kapelle herauskam, noch gelang es ihr, sich den neugierigen Blicken und dem Flüstern zu entziehen. Sie bemühte sich um ein möglichst ausdrucksloses Gesicht und ertrug die Aufmerksamkeit der Leute, in der Hoffnung, dass bald alles vorbei war.
Aber das war es nicht. Der Grund dafür wurde ihr klar, als sich der Zug auf den Weg zum Friedhof machte. Reids Jeep stand in der Nähe des Eingangs zum Friedhof. Das war natürlich zu erwarten gewesen, immerhin waren die Huttons und die Sayers schon seit vielen Jahren Geschäftspartner, und außerdem waren Reid und Keith zusammen zur Schule gegangen. Zumindest hatte Reid genug Feingefühl besessen, um nicht an der Trauerfeier teilzunehmen, er begleitete den Sarg nur zum Grab.
Reid stand in Cammies Nähe, als sich die Menschenmenge unter dem Baldachin am Grab versammelte. Sie war ihm dankbar dafür, dass er sie nicht ansprach. Zwischen ihnen war ein kleiner Abstand, und um sie herum summten die
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