Verheißung Der Nacht
Bemerkungen der Leute wie ein Schwärm Schmeißfliegen.
Endlich war alles vorbei. Cammie hatte es abgelehnt, sich auf einen der Stühle zu setzen, die für die Familienmitglieder reserviert worden waren, doch als Reiths Mutter unter dem Baldachin hervortrat, ging sie instinktiv auf die Frau zu.
Sekundenlang sah die ältere Frau durch sie hindurch, als existiere sie überhaupt nicht. Cammie ließ sich jedoch in ihrem Mitgefühl nicht beirren, es hinderte sie auch nicht daran, ihre Schwiegermutter in den Arm zu nehmen. Sie fühlte die starre Ablehnung in der Haltung ihrer Schwiegermutter und sah den unterdrückten Zorn in ihren tränenfeuchten Augen.
»Es tut mir so leid«, flüsterte Cammie ihr zu, es waren die einzigen Worte, die ihr angemessen erschienen.
»Wirklich?« fragte ihre Schwiegermutter mit mühsam aufrechterhaltener Höflichkeit. »Es fällt mir schwer, das zu glauben. Aber ich wollte sowieso mit dir sprechen, über Sachen von Keith, die vielleicht noch in deinem Haus sind. Ich erwarte, dass du sie ... zu mir nach Hause schickst.«
Vona Hutton, Gordons untersetzte und ein wenig linkische Frau, stand hinter Keiths Mutter. »Richtig«, meinte sie und nickte selbstgerecht. Gleichzeitig warf sie ihrem Mann, der noch mit dem Geistlichen sprach, einen Zustimmung heischenden Blick zu.
»Ja, natürlich«, antwortete Cammie und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf die ältere Frau vor ihr. Keith hatte nichts in Evergreen zurückgelassen, bis auf einige verrostete Werkzeuge, ein altes Fahrrad und einige ausgebaute Ersatzteile seines Autos. Sie würde jeden einzelnen Schraubenzieher heraussuchen und jede verrostete Zündkerze.
»Das ist alles, was wir - sein Bruder und ich - von dir wollen.«
Das war ihr Hinauswurf, der endgültige Bruch. Zweifellos hatte ihre Schwiegermutter sie damit treffen wollen.
»Wie du möchtest«, antwortete Cammie ruhig.
Ihr Gegenüber wandte sich mit hoch erhobenem Kopf ab. Vona legte einen Arm um die Schultern ihrer Schwiegermutter und murmelte beruhigende Worte. Cammie ließ die beiden gehen und versuchte, nicht zu viel Erleichterung zu zeigen.
Jemand trat neben sie; sie wandte sich um, weil sie erwartete, Reid zu sehen. Doch es war Fred Mawley.
Der Anwalt lächelte sie mit fürsorglicher Zärtlichkeit an. »Ich hatte gehofft, wir könnten einen Augenblick miteinander reden.«
Cammie murmelte etwas Unverständliches und widmete ihm nur oberflächliche Aufmerksamkeit. Reid verließ gerade den Friedhof. Er war in einer Gruppe von Männern, die meisten von ihnen Angestellte der Fabrik, sie standen etwas abseits und sprachen miteinander.
»Ich möchte einen Termin mit Ihnen machen wegen des Testaments«, sprach Fred Mawley weiter. »Je eher wir es hinter uns bringen, desto besser.«
Cammie warf ihm einen verständnislosen Blick zu und setzte ihren Weg in Richtung des Ausganges fort. »Finden Sie nicht, dass es dafür jetzt etwas zu spät ist?«
Er zog fragend eine Augenbraue hoch, doch dann lachte er leise. »Nicht über Ihren Teil des Testaments, Cammie, über Reiths Teil. Sie sind noch immer seine Erbin, da das gemeinsame Testament nie zurückgezogen wurde und auch durch keine andere Verfügung außer Rraft gesetzt wurde. Sein Nach Lass fällt an Sie - einschließlich seines Anteils an der Papierfabrik.«
Sie blieb plötzlich wie angewurzelt stehen, ihre Augen weiteten sich in ungläubigem Entsetzen.
Mawley sah sie belustigt an. »Ich kann nicht glauben, dass Sie daran noch gar nicht gedacht haben.«
»Das habe ich wirklich nicht.« Sie preßte die Lippen aufeinander und riß sich zusammen.
»Gordon Hutton hat aber daran gedacht. Er hat mich gestern morgen angerufen und wollte wissen, wie die Dinge stehen. Ich fand das sehr vergnüglich, denn er war doch derjenige, der ...« Der Anwalt hielt inne, er sprach nicht aus, was er hatte sagen wollen.
»Gordon war derjenige, der was getan hat?« fragte Cammie, mißtrauisch geworden.
Mawley sah verlegen aus, obwohl er noch immer lächelte. »Ach, nichts. Nichts, das irgendwelche Bedeutung hätte. Nun ja, wie wäre es, wenn wir uns beim Abendessen heute über die Sache unterhalten würden? Ich hätte gern viel Zeit, um alle Einzelheiten mit Ihnen durchzugehen.«
Möglicherweise war dies der Grund, warum Reiths Familie einen solchen Groll gegen sie hegte. »Ich glaube nicht, dass es Grund für besondere Eile gibt«, meinte sie.
»Dann vielleicht morgen? Oder übermorgen? Ich stehe immer zu Ihrer Verfügung.«
Über seine
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