Verheißung Der Nacht
Schulter hinweg sah Cammie, dass Reid den Friedhof verließ. Seine Haltung hatte eine gewisse Starre, die sie beunruhigte. Sie erklärte Fred Mawley, sie würde ihn anrufen, dann verließ sie schnell den Friedhof.
Cammie war schon fast am Ausgang angekommen, als ihr klar wurde, was Fred beinahe über Gordon und das Testament verraten hätte. Es schien, als hätte Keiths Bruder etwas mit der Verzögerung bei der Neufassung des Testaments zu tun. Ein Witz, falls es tatsächlich stimmte! Aber warum sollte ihr das jetzt noch etwas ausmachen?
Sie konnte es kaum erwarten, Reid davon zu erzählen. Sie wollte wissen, wie er reagierte, sie musste wissen, was er darüber dachte. Aber obwohl sie ihren Schritt noch mehr beschleunigte, war er schon verschwunden, als sie auf dem Parkplatz ankam.
Ihre Enttäuschung war so groß, dass ihr Hals ganz eng wurde. Sie stand da und starrte auf die Stelle, an der sein Jeep gestanden hatte. Erst in diesem Augenblick wurde ihr klar, wie eigenartig es war, dass sie diese Neuigkeit mit einem Menschen teilen wollte, der verdächtigt wurde, den Mann umgebracht zu haben, den sie gerade hier beerdigt hatten. Sie dachte auch daran, dass Reid ihre Neuigkeit vielleicht gar nicht so lustig fände.
Sie fuhr zurück nach Evergreen, schlüpfte in Jeans und ein korallenfarbenes Oberteil. Sie aß zu Mittag und ging dann hinaus und starrte blicklos auf die Fleißigen Lieschen, die sie gekauft hatte. In einem Anflug von Energie riß sie all die Stiefmütterchen und den Zierkohl aus, die mittlerweile verblüht waren, und setzte die neuen Pflanzen an ihre Stelle. Sie pflanzte sogar die Hibiskussträucher in die beiden Kübel zu beiden Seiten der Hintertreppe.
Doch sie verrichtete ihre Arbeit eher mechanisch. Während sie mit den Pflanzen beschäftigt war, wanderten ihre Gedanken.
Wie sie aus allen Berichten erfahren hatte, war Keiths Tod das Werk eines Profis gewesen; er war mit einem einzigen Schluss in den Kopf getötet worden. Dennoch würde jeder vernünftige Mensch, der ihn hätte umbringen wollen, auf die Jagdsaison gewartet haben. Zu dieser Zeit waren die Wälder - auch das Wildreservat - voller Männer mit Gewehren, eine Schluss wunde konnte leicht als Unfall angesehen werden. Aber die Art, wie der Mörder sich dieses Mannes entledigt hatte, schien darauf hinzudeuten, dass Wut ihn unvorsichtig gemacht hatte oder dass er darauf vertraute, nicht gefasst zu werden.
Beide Dinge trafen auf Reid nicht zu. Wenn Reid Reith hätte umbringen wollen, so hätte er es heimlich und still getan, und er hätte seinen K örper dann an einem Ort verschwinden lassen, der so versteckt und unzugänglich war, dass er nie gefunden worden wäre, glaubte Cammie.
Aber vielleicht wollte er sie und alle anderen ja auch nur in diesem Glauben lassen. Es war möglich, dass er die Tat absichtlich so unbeholfen hatte erscheinen lassen, weil er wusste , dass ein zu perfekter Mord wie ein Pfeil auf ihn hingewiesen hätte.
Wieder und wieder dachte Cammie daran, wie Reid ihr versichert hatte, er hätte Reith nicht umgebracht. Sie wollte ihm glauben, aber es fiel ihr sehr schwer. Es ergab einen perfekten Sinn, dass er sie von Keith hatte befreien wollen, solange sie ihn für einen Mann hielt, der aus einem unbeugsamen Willen heraus handelte und innerhalb seiner eigenen dehnbaren Moralbegriffe.
Das Problem war, ihre Einschätzung seines Charakters kombiniert mit dem, was er ihr gesagt hatte, ließ es genauso wahrscheinlich erscheinen, dass sie ihn zu Unrecht verdächtigte. Und sie konnte sich nicht entscheiden, was schlimmer war: recht zu behalten oder im Unrecht zu sein.
Es machte sie verrückt, immer wieder darüber nachzugrübeln, schon seit Tagen war das so. Heute hatte sie ihn zum ersten Mal wiedergesehen, seit dem Abend, als er in Evergreen war. Reids Benehmen während der Beerdigung war keine Entscheidungshilfe für sie. Es musste doch etwas geben, das ihr helfen konnte.
Sie entschied, dass es ihrem Verständnis für Reids Wesen nicht förderlich wäre, wenn sie von ihm wegblieb und einer Ausweitung ihrer Beziehung aus dem Weg ging. Um die Mauer der Abwehr zu durchbrechen, die er um sich herum errichtet hatte, und um die Wahrheit herauszufinden, musste sie ihm so nahe wie nur möglich sein. Nur so würde sie ihren Frieden finden.
Cammie zog die Gartenhandschuhe aus und ließ sie zusammen mit der Hacke und den leeren Pflanzenschalen auf der Hintertreppe liegen. Kurze Zeit später bog sie in die Einfahrt zum Fort
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