Verheißung Der Nacht
seiner Brust neben ihm lag und darauf wartete, dass ihre Erregung verebbte. Sie lag ganz still und starrte blicklos in das Zimmer, das zu hell war von dem Licht, das durch die Vorhänge fiel. All die Probleme, die sie bis jetzt weit von sich geschoben hatte, drängten sich nun langsam wieder in ihre Gedanken. Ihre Finger, die auf Reids Brust lagen, zogen sich ungewollt zusammen.
»Du sollst nicht nachdenken«, schalt er leise, griff nach ihrer Hand und drückte sie.
»Ich kann nicht anders«, antwortete sie.
» Lass dich von mir ablenken«, schlug er vor.
Es gelang ihm - beinahe.
Charles Meyer lebte in Queens, in einer dieser langen Straßen mit roten Backsteinhäusern, die alle den gleichen Eingang und auch das gleiche Treppengeländer besaßen. Die Eingangstür war waldgrün gestrichen, so dunkel, dass sie beinahe schwarz aussah, und besaß einen antiken viktorianischen Messingtürklopfer. Ein schwarzer Marmorkrug mit leuchtend roten Tulpen und weißem Alyssum stand neben der Tür.
Reids Freund war genauso wie sein Haus, ordentlich, freundlich, doch mit einer Eleganz, die ihn von anderen Männern unterschied. Mit seinem langen, schmalen Gesicht, dem Bart, der mit weißem Haar durchsetzt war, seinem schlanken Körper und den geschickten Händen sah er aus, als gehöre er in eine der Seitenstraßen des linken Seineufers in Paris, zusammen mit seinen Künstlerfreunden in Hemdsärmeln und Baskenmützen. Er klang auch so, wenn man seinen Akzent hörte, ganz anders als seine Frau Michelle.
Sein vierjähriger Sohn Andre war Charles sehr ähnlich, allerdings hatte er die riesigen, feucht-braunen Augen, wie man sie von den Gemälden des fünfzehnten Jahrhunderts kannte, und die Hände eines Violinvirtuosen. Er war das lebende Beispiel dafür, wie die Gene wirkten, denn seine Mutter besaß dunkle Augen und die Anmut und Eleganz, wie man sie in New York kannte.
Das kleine Mädchen, Reina, war sieben Monate alt und schien aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihr Bruder, doch hatte ihr Wesen etwas Engelhaftes.
Im ersten Augenblick fühlte Cammie sich ein wenig unbehaglich im Haus der Meyers, weil sie fürchtete, vielleicht etwas Falsches zu sagen oder zu tun. Religion spielte in ihrem Leben keine große Rolle. Sie war als Methodistin erzogen worden, doch in ihrer Familie war der Kirchgang und der Glaube eine eher private Angelegenheit, nichts, um öffentliche Aufmerksamkeit damit zu erregen. In Greenley gab es eine oder zwei jüdische Familien, doch sie zählten nicht zu den orthodoxen Juden; Cammie war schon beinahe zwanzig gewesen, ehe ihr aufgefallen war, dass sie anders waren als die Familien, die sie sonst kannte. Damals hatte sie sich für dieses Anderssein interessiert, aus Neugier, doch ihr Wissen von jüdischen Vorschriften und Bräuchen war erschreckend unklar.
Sie hätte sich gar keine Sorgen machen müssen. Charles und Michelle Meyer nahmen sie in ihrem Haus mit offenen Armen auf und schenkten ihr Vertrauen. Sie lachten und neckten einander, und ihre lebhafte Unterhaltung mit den schnellen Fragen und den ebenso schnellen und geistreichen Kommentaren war ein Ohrenschmaus und gleichzeitig eine Herausforderung zum Mitmachen, sie ließ ihr keinen Raum, sich ungemütlich zu fühlen.
Michelle Meyer, so schien es, arbeitete auf der Wall Street, ihre Tätigkeit hatte etwas mit der Verwaltung eines Fonds zu tun. Ihre Erfahrung in Geldanlagen gab ihnen den finanziellen Rückhalt, der es Charles erlaubte, zu Hause zu arbeiten. Nach außen hin schien er an der Entwicklung von Computer-Software zu arbeiten, und er hatte bereits eine beträchtliche Anzahl neuer Programme für Geschäftsleute entwickelt und vermarktet. Doch seine Hauptbeschäftigung war, wie Reid es angedeutet hatte, die Arbeit für staatliche Stellen.
In weltweite Computer-Netzwerke einzudringen war für ihn ein Spiel, die Herausforderung reizte ihn. Sein größtes Interesse war es jedoch, die Sicherheit von regierungseigenen Computern zu testen. Es war eine Freude für ihn und wurde beinahe schon zur Besessenheit, den Hackern und anderen interessierten Gruppen, die versuchten, in die riesigen Datenspeicher der verschiedenen staatlichen Stellen einzudringen und an vertrauliche Informationen heranzukommen, immer einen Schritt voraus zu sein.
Demzufolge gab es nicht viel, was Charles über Computersicherheit nicht wusste , es gab nur wenige Systeme, in die selbst er nicht eindringen konnte, wenn er sich dazu entschlossen hatte. Er war gern bereit,
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