Verheißung Der Nacht
zurückgeben, als sei sie eine tickende Zeitbombe. Er war hier in New York, als sie geboren wurde. Als er mich besuchte, habe ich den Fehler gemacht, sie ihm zu geben, damit er sie hält. Ich dachte, er würde ohnmächtig werden, so kalkweiß war er. Damals wusste ich allerdings noch nicht Bescheid, Charles hatte mich noch nicht gewarnt.«
»Warum? Mir ist schon klar, dass da etwas vorgefallen sein muss , aber ... aber ich kenne die Einzelheiten nicht.«
Michelle sah sie lange schweigend an, dann blickte sie zu Boden. »Wenn Reid es Ihnen nicht gesagt hat, dann sollte ich das besser auch nicht tun. Sie müssen ihn schon selbst danach fragen.«
»Und wenn er nicht darüber reden will, was dann?« Doch Michelle schien nicht nachgeben zu wollen, deshalb drängte Cammie: »Bitte, ich muss es wissen.«
Michelle runzelte nachdenklich die Stirn, dann wandte sie sich zum Kühlschrank, holte den Käsekuchen heraus und stellte Teller bereit. Sie ging zur Anrichte und füllte die Kaffeemaschine mit Wasser. Sie griff nach einer Tüte mit Fein- schmecker-Kaffee und einer elektrischen Kaffeemühle. Als sie die Kaffeemühle öffnete, stieg der Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen in Cammies Nase. Michelle gab die Kaffeebohnen in die Mühle und mahlte sie, danach schüttete sie den Kaffee in die Kaffeemaschine und stellte sie an.
Erst dann wandte sie sich endlich zu Cammie um. »Ich werde es vielleicht bereuen, aber ...« Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist einfach so, dass er... nun ja, diese Sache mit den Kindern hat ihn beinahe um den Verstand gebracht. Es war der Grund, warum er aufgehört hat, als Undercover-Agent zu arbeiten, der Hauptgrund dafür, dass er nach Hause zurückgekehrt ist und sich in seinen Wäldern im Süden vergraben hat. Er... er hat ein kleines Mädchen umgebracht, verstehen Sie?«
Cammie legte das Messer, mit dem sie den Käsekuchen schneiden wollte, beiseite. Ungläubig blickte sie auf. »Nein«, sagte sie leise. »Nein, das verstehe ich nicht.«
Es war in einer kleinen Siedlung auf den Golan-Höhen. Reid arbeitete bei einer israelischen Eliteeinheit als Berater, er kommandierte eine Einsatztruppe von einem Dutzend Männern. Es hatte in diesem Gebiet Aufstände unter den Palästinensern gegeben, aber die Lage hatte sich wieder stabilisiert. Die Einsatztruppe verbrachte ihre Tage mit Routinepatrouillen und Bereitschaftsübungen, sie hatten viel freie Zeit. Ihr Hauptquartier war mitten in der Stadt, in der Nähe des Marktes. Einige palästinensische Familien lebten in der gleichen Straße. Eines der Mädchen, nicht älter als fünf oder sechs Jahre, spielte immer vor ihrer Tür, fast den ganzen Tag. Jeder der Männer hatte sie zu seinem Liebling erkoren, ganz besonders Reid. Sie gaben ihr Süßigkeiten und Kaugummi, fertigten Spielzeug für sie und brachten ihr ein wenig Jiddisch und Englisch bei.
Cammie legte eine Hand an die Lippen, als ihr klar wurde, in welche Richtung sich diese Geschichte entwickeln würde. Sie konnte es sich nur zu gut vorstellen.
»Vielleicht wissen Sie etwas über das jüdisch-palästinensische Problem«, fuhr Michelle fort, und aus ihrer Stimme klang Erschöpfung. »Es ist ein endloser, blutiger Kampf wegen eines schmalen Streifen Landes, ein tiefer Hass , der schon seit Generationen schwärt, und die Gewalttätigkeit der Intifada. Vielleicht haben Sie davon gehört oder gelesen, wie wenig ein Menschenleben wert ist im Mittleren Osten, ganz besonders das Leben einer Frau.«
»Dieses kleine Mädchen ...«, begann Cammie.
»Ihr Vater war einer der Führer der Intifada, er wurde bei einem Aufstand getötet. Das Mädchen, ihr kleiner Bruder und ihre Mutter lebten bei dem Bruder ihres Vaters. Dieser Mann, der Onkel des Mädchens, war ein fanatischer Anhänger der Bewegung. Kampf bis zum Tod, kein Opfer zu groß, das waren seine extremistischen Gedanken. Er hatte das Mädchen natürlich zu der Truppe geschickt.«
»Sie meinen ...«
Michelle starrte blicklos vor sich hin. »Als das Einsatzkommando sich daran gewöhnt hatte, dass sie vor ihrer Tür spielte, als sie sie bei sich aufgenommen hatten, wurde sie ein letztes Mal zu ihnen geschickt. Sie wurde geschickt mit Sprengstoff, der scharf gemacht und dann an ihrem Körper befestigt worden war.«
»Nein.« Cammie schüttelte voller Schrecken den Kopf.
Michelle nickte nur. »Sie kam eines Morgens früh fröhlich in das Hauptquartier und brachte eine Schale Obst mit. Reid entdeckte den Sprengstoff, als er sie zum Dank dafür
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