Verheißung Der Nacht
Hölle heiß. Die Leute fragen sich, warum ich noch keinen von euch beiden einbestellt habe für eine Aussage und eine Vernehmung.«
»Leute wie zum Beispiel Gordon Hutton?« Cammie gab sich gar nicht erst die Mühe, ihren Zynismus zu verbergen.
»Unter anderem. Ich möchte das alles auf einer netten, friedlichen Basis erledigen, aber es würde mir helfen, wenn du auch dazu beitragen würdest, Cammie. Denn sonst muss ich ziemlich unfreundlich werden.«
Nachdem er gesagt hatte, was zu sagen war, gab es für Bud keinen Grund, noch länger zu bleiben. Er stieg in seinen Streifenwagen und fuhr davon, und Cammie starrte ihm nach, mit einer scharfen Falte zwischen den Augenbrauen.
Reid fuhr mit der Hand durchs Haar. »Mir scheint, es wird besser sein, wenn ich hier verschwinde.«
»Warum?« wollte Cammie wissen. »Wir haben doch nichts Unrechtes getan.«
»Aber auch nichts Rechtes. Wir wissen doch beide, wie die Dinge in Greenley stehen.«
Cammie grinste schief, dann seufzte sie ergeben. »Weißt du, ich glaube, ich könnte mich an eine Stadt wie New York gewöhnen, wo einen niemand kennt und sich nicht darum kümmert, was man tut.«
»Aber inzwischen müssen wir mit dem Hier und Jetzt zurechtkommen.« Reid kam zu ihr und gab ihr einen schnellen Kuss auf den Mund. »Ich rufe dich an«, meinte er. »Und vergiß nicht, deine Türen abzuschließen.«
Cammie sah ihm nach, als er wegfuhr, erst dann ging sie ins Haus. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so allein gefühlt.
Sie beschäftigte sich damit, ihren Koffer auszupacken, die schmutzige Wäsche in die Waschmaschine zu stecken und die anderen Sachen in den Schrank zu hängen. Persephone, die nicht genau gewusst hatte, wann sie zurückkommen würde, hatte ihr nichts zu essen dagelassen. Sie holte ein Stück Rindfleisch aus der Gefriertruhe und ließ es auftauen, später würde sie Spaghetti dazu kochen.
Unentschlossen wanderte sie dann durch das Haus, goß die Blumen, nahm eine halbfertige Stickarbeit zur Hand und legte sie wieder weg, blätterte nervös in einer Gartenzeitschrift. Sie war so unruhig, auch in ihren Gedanken, dass sie sich auf nichts konzentrieren konnte. Es war eine Erleichterung, als schließlich das Telefon läutete.
Die Stimme ihrer Großtante Beck drang laut und deutlich durch den Hörer an ihr Ohr. »Wo um Himmels willen bist du gewesen? Ich habe dauernd bei dir angerufen, aber du warst nie zu Hause.«
»Der Anrufbeantworter war doch angestellt, du hättest mir eine Nachricht hinterlassen können.«
»Ich hasse diese dummen Maschinen, man fühlt sich wie ein Idiot, wenn man mit jemandem reden muss , der gar nicht da ist. Ich möchte gern Antworten haben, wenn ich Fragen stelle.«
»Jawohl, Ma'am«, erwiderte Cammie und grinste. »Was kann ich für dich tun?«
»Du kannst machen, dass du hierherkommst. Es gibt da etwas, das ich dir schon seit einer Ewigkeit erzählen will. Und wenn ich es nicht bald tue, werde ich noch senil werden und es vergessen. Oder ich sterbe vorher.«
»Das möchte ich sehen.«
»Naseweis«, entgegnete Tante Beck und legte den Hörer auf.
Die alte Dame war besser gelaunt, nachdem Cammie die acht Meilen Landstraße zu ihrem Haus gefahren war. Das einzige, was ihr noch mehr gefiel, als ihre Verwandten auf einen Sprung zu besuchen, war, selbst Besuch zu bekommen.
Tante Beck hatte ihre kleinen Rituale. Sie liebte heißen Tee, eine seltene Gewohnheit in Greenley, wo Eistee bevorzugt wurde. Sie servierte ihn in ihrer antiken georgianischen Silberkanne in Teetassen, die so dünn waren wie Eierschalen. Etwas Leckeres zu essen gehörte dazu, die Damastservietten mit der Stickerei hatte sie selbst genäht.
Cammie genoss normalerweise diese kleine Zeremonie; manchmal, wenn sie den Zauber der alten Familientradition wachrufen wollte, kopierte sie ihre Großtante. Doch jetzt brauchte sie all ihre Geduld, denn Tante Beck weigerte sich, mit ihrer Erzählung zu beginnen, ehe sie nicht ihren besonderen exotischen Tee hervorgeholt, das kochende Wasser darübergegossen hatte und der Tee endlich in den Tassen dampfte.
Schließlich lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück. Sie unterhielten sich über Nebensächlichkeiten, dann wollte Tante Beck Cammies Version von Keiths Tod hören. Sie lauschte besonders aufmerksam dem, was Cammie dazu zu sagen hatte. Danach saß sie einen Augenblick schweigend da und betrachtete Cammie, wobei ihre Augen scharfsinnig blitzten. Als sie dann endlich sprach, hatte ihre Stimme einen ganz anderen
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