Verheißung Der Nacht
Ton.
»Ich habe dir doch erzählt, dass ich Reids Großvater Aaron gekannt habe, nicht wahr? Er war der Sohn von Justin Sayers.«
Cammie fühlte, wie plötzlich eine eigenartige Ruhe über sie kam, wie eine Wolke. »Ich glaube, du hast davon gesprochen.«
»Er war ein so gutaussehender Junge. Ich habe ihm einmal erlaubt, mich zu küssen, draußen hinter dem Schuppen, als ich noch ein leichtsinniges Mädchen war. Aber dann traf ich deinen Großonkel, und aus meiner Beziehung zu Aaron ist nichts geworden.«
Cammie zeigte nur ein oberflächliches Interesse an dem, was ihre Tante zu erzählen hatte. Sie griff nach einem der kleinen Sandwiches und fürchtete schon, ihre unberechenbare Tante würde das Thema wechseln, wenn sie vermutete, dass Cammie sich zu sehr für ihre Schilderung interessierte.
»Ja, also, meine Schwester Maybelle war älter als ich, sie heiratete zuerst, deinen Großvater Greenley. Aber was du vielleicht nicht weißt, ist, dass sie es tat, weil unsere Mutter Lavinia Greenleys beste Freundin war und einer der wenigen Menschen, die zu ihr gestanden haben in den schwierigen Zeiten, nachdem ihr Mann umgebracht worden war. Es war nur natürlich, dass die Kinder dann auch miteinander Umgang hatten.«
»Davon habe ich nie etwas gehört.« Cammie, die gerade in ihr Sandwich beißen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. »Ist es möglich ... erinnerst du dich an Lavinia?«
Ihre Großtante lächelte sehr geheimnisvoll. »Als wäre es gestern gewesen. Meine Mutter wurde schon früh Witwe, sie hat nie wieder geheiratet. Sie und Lavinia hatten viele Gemeinsamkeiten, später sind die beiden viel gereist, durch den ganzen Süden und den Südwesten, sogar bis nach Mexico, in einem zerbeulten alten Ford Coupe. Sie besuchten die alten Plantagen, die damals bereits im Verfall begriffen waren, noch ehe sie unter Schutz gestellt wurden. Sie waren eng befreundet mit Cammie Garrett unten in Melrose, in der Nähe von Natchitoches, du weißt doch, die Frau, die all die Schriftsteller und Künstler aufgenommen hat. Du bist nach dieser Cammie genannt worden, wusste st du das?«
»Nein, das habe ich nicht gewusst .«
Die alte Dame nickte entschieden. »Alles hat seinen Sinn, das sage ich immer.«
»Also hat Lavinia sich ihr eigenes Leben aufgebaut, als der Skandal endlich vorüber war«, meinte Cammie, um nicht vom Thema abzukommen.
»Oh, sie war schon eine tolle Frau. Es gab kaum einen Politiker damals, den sie nicht kannte, und es passierte auch nicht viel in der Regierung in Baton Rouge, ohne dass sie nicht auch etwas zu sagen hatte. Sie unterstützte Huey Long, als er noch in den Anfängen war - und sie hat jahrelang Verbindung gehalten zu den anderen Mitgliedern seines politischen Stabes. Damals hat sie auch das Land für das Wildreservat zur Verfügung gestellt.«
Cammie beugte sich vor. »Du weißt von der Transaktion mit dem Land?« Tante Beck lachte sie verschmitzt an. »Was glaubst du wohl, warum ich dich heute zu mir bestellt habe?«
»Wegen des Landes, auf dem die Papierfabrik steht?«
»Besonders deswegen. Ich habe noch nie etwas so Lächerliches gehört wie das, was Wen Marston mir erzählt hat. Sie meinte, das Land, auf dem die Fabrik steht, würde dir gehören. Allein der Gedanke, dass Lavinia gar nicht das Recht hatte, das Land wegzugeben, ist absurd. Lavinia war so intelligent wie sonst kaum eine Frau, und Justin Sayers war auch nicht gerade dumm. Warum sollte sie die ganze Sache auf eine so ungeschickte Weise angestellt haben? Das ergibt doch gar keinen Sinn!«
»Ich stimme dir zu, aber wie es scheint, gibt es da ein gesetzliches Problem, wegen einer heimlichen Scheidung.«
»Heimliche Scheidung, von wegen; in meiner Familie war das kein Geheimnis. Gerade du, Cammie, solltest das besser wissen. Um noch einmal zu dem Land zu kommen, ich habe keine Geduld mit all diesen Menschen, die glauben, alles, was Lavinia besessen hätte, stammte von Horace. Ist eigentlich keinem von euch eingefallen, dass dieses Land ihr gehörte?«
Cammie stellte mit einem leisen Klirren ihre Teetasse auf die Untertasse zurück, weil sie fürchtete, sie würde ihr aus der Hand fallen. Sie war benommen, nicht so sehr von der Eröffnung, die ihre Großtante ihr gemacht hatte, als von der Tatsache, dass sie sich wie all die anderen so hatte irren können. »Wenn du sagst, dass das Land Lavinia gehört hat, dann muss sie es ja schon vor ihrer Ehe mit Horace besessen haben, oder sie hat es erst nach ihrer Scheidung
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