Verheißung Der Nacht
nachdenklich die Stirn. »Dann warst du das also, der nachts um mein Haus geschlichen ist; ich weiß, dass du es warst, denn ich habe dich gesehen. Und das war noch vor Keiths Tod.«
»Ich und Sayers. Ich hätte mich halbtot lachen können, als ich ihn beobachtet habe, wie er hier herumgelungert ist. Er hat geglaubt, er sei der einzige, der Erfahrung im Anschleichen hat. Er wusste nicht, dass ich schon hinter die feindlichen Linien geschlichen bin, als er noch nicht einmal trocken hinter den Ohren war. Er hat nicht einmal geahnt, dass ich überhaupt da war.«
»Falsch«, mischte sich Reid ein. »Mein Fehler war es zu glauben, dass du nur ein schmutziger alter Mann bist. Und als ich gerade der Überzeugung war, dass man dir besser einmal eine Lektion erteilen sollte, hast du aufgehört.«
Der andere Mann warf ihm einen bösen Blick zu. »Ich musste doch zuerst einmal wissen, ob ihr Mann es schaffte, sich wieder mit ihr zu versöhnen. Später schien es mir eine recht gute Idee zu sein herauszufinden, um welche Uhrzeit sie gewöhnlich ins Bett ging. Und vielleicht auch mit wem.«
»Und genau zu dem Zeitpunkt hast du mich als Opfer auserkoren«, sagte Reid leise.
»Du hattest es nicht anders verdient. Es war dein Fehler, dass das Baylor-Mädchen verschwunden ist. Sie kam zu mir, völlig verstört, und fragte mich als ihren Seelsorger, wie sie mit ihrer Entdeckung umgehen sollte. Ich sagte ihr, sie sollte Stillschweigen bewahren und abwarten, aber du hast ihr geholfen davonzulaufen, und das hat die Summe, die Camilla hätte erben können, beträchtlich verringert. Du wolltest nicht, dass meine Nichte das ganze Geld bekam, genauso wenig wie du es Keith oder Gordon Hutton gegönnt hast, nicht wahr, Sayers? Du bist genauso schmutzig wie alle anderen auch.«
»Das stimmt«, gab Reid mit fester Stimme zu.
Cammie hätte sich am liebsten umgedreht, hätte Reid dazu gezwungen, sie anzusehen, damit sie selbst beurteilen konnte, wie seine Worte gemeint gewesen waren. Doch das ging jetzt nicht, sie musste ihren Onkel im Auge behalten. Die Anspannung in ihrem Arm, in ihrem Kopf, war beinahe unerträglich. Das feine Zittern, das ihren Rörper durchlief, wurde beinahe zum Schüttelfrost. Sie musste handeln, und zwar bald.
Ihr Onkel lachte, sein Blick ruhte noch immer auf Reid. »Ich bin sicher, der liebe Gott wird es mir verzeihen, wenn ich einen Sünder wie dich umbringe. Deine Seele ist schwarz, die Hölle wartet schon auf dich, und ich bin nur ein Instrument Seines Willens. Wenn Er dich retten wollte, hätte Er es schon getan. Möchtest du noch vorher um ein Wunder beten, ehe du stirbst?«
»Tu das nicht«, warnte Cammie ihn mit gepresster Stimme.
»Camilla ... Cammie, mein Schatz.« Ihr Onkel lächelte sie an. »Ich bin der Mann, der dich auf seinem Schoß gehalten hat, der dich mit Kuchen von seinem Teller gefüttert hat. Ich bin der Mann, hinter dem du dich versteckt hast, damit deine Mutter dir keinen Klaps geben konnte. Ich bin derjenige, der dir beigestanden hat, als deine Mutter und dein Vater starben, an meiner Schulter hast du dich ausgeweint. Du weißt, dass du nicht auf mich schießen kannst.«
»Ich werde es tun.« Sie spannte den Hahn mit dem Daumen, um ihm zu zeigen, dass sie es ernst meinte.
»Leg das Spielzeug weg und sei ein gutes Mädchen.«
»Es heißt hier entweder Reids Leben oder deines, mein Leben oder deines. Ich habe keine andere Wahl«, erklärte sie ihm mit einer Stimme, die selbst in ihren eigenen Ohren wie eine Bitte klang.
»Cammie«, flüsterte Reid hinter ihrem Rücken. »Wenn du ganz langsam zurückgehst, in meine Richtung, dann werde ich die Pistole nehmen.«
Hatte er die Absicht, die Dinge voranzutreiben? Oder versuchte er nur, sie von dem Druck zu befreien, unter dem sie stand, ihr die Verantwortung abzunehmen? Im Bruchteil einer Sekunde schössen ihr diese Gedanken und ihre Möglichkeiten durch den Kopf. Sie konnte tun, was Reid von ihr verlangte, aber wenn er ihren Onkel erschoß, wer würde ihm dann glauben, dass er keine andere Wahl gehabt hatte? Bei ihr war das etwas anderes. Wenn sie ihn umbrachte, würde Bud ihr glauben, dass sie keine andere Wahl gehabt hatte. War es so vielleicht auch bei Lavinia und Justin gewesen?
»Ich würde das nicht versuchen«, warnte Reverend Taggart sie. Seine Stimme hatte etwas Endgültiges. Er hob das Gewehr noch ein wenig höher und zielte genau auf Reids Brust. Die Muskeln in seinem Gesicht spannten sich an.
Das genügte ihr als Warnung. Sie
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