Verheißung des Glücks
Seinen Zorn milderte das indes keineswegs. Es rückte Melissa auch nicht wieder in greifbare Nähe.
»Ich denke, Ihre eigentliche Frage ist hiermit beantwortet, und ich darf mich jetzt von Ihnen verabschieden«, sagte Lincoln mühsam beherrscht.
Justin schüttelte den Kopf. »Was Sie sagen, wirft einige neue Fragen auf, die ...«
»Das ist allein Ihr Problem«, unterbrach Lincoln ihn. Langsam verlor er die Geduld mit seinem ungebetenen Gast. »Von der Tatsache einmal abgesehen, dass Sie das alles nichts angeht, wird hier ein Streit wieder aufgewärmt, der sich vor neunzehn Jahren zutrug. Sie hören richtig - neunzehn! Die meisten Beteiligten waren damals noch Kinder, und Sie und Melissa waren wahrscheinlich noch nicht einmal geboren. Aber noch immer sind die MacFearsons nicht bereit, das Kriegsbeil zu begraben. Es ist müßig, überhaupt noch darüber zu reden. Die Herrschaften haben mir deutlich zu verstehen gegeben, ich solle mich von Melissa fern halten, und ich verspüre kein großes Interesse, mir von sechzehn Verrückten nun auch noch die paar Knochen brechen zu lassen, die sie mir nicht schon damals gebrochen haben. Vielen Dank!«
Justin erschauerte. »Sie sind tatsächlich alle zusammen über Sie hergefallen?«
»So verlangt es wohl ein ungeschriebenes Gesetz der Familie. Ich glaube, die MacFearsons wissen gar nicht, dass man Meinungsverschiedenheiten auch auf andere Art lösen kann.«
»Das heißt, Sie geben auf.«
»Sehen Sie etwa eine andere Möglichkeit?«
»Nun ja, im Augenblick fällt mir nichts ...«
»Gehen Sie nach Hause, St. James. Ach übrigens, an Ihrer rechten Geraden sollten Sie bei Gelegenheit noch ein wenig arbeiten.«
Justin bedachte Lincoln mit einem letzten finsteren Blick. Dann stapfte er aus dem Zimmer. Wieder einmal verfluchte Lincoln den Tag, an dem er den MacFearson-Brüdern zum ersten Mal begegnet war. Er wurde nicht schlau aus dieser Sache. Wenn Melissa vom Besuch ihrer Onkel in London nichts wusste, dann fragte sie sich mit Recht, warum er sie nicht mehr besuchte. Aber das war völlig ausgeschlossen. Sie musste einfach eingeweiht sein. Nicht einmal diese ungehobelten Kerle waren gefühllos genug, eine Frau auf unbestimmte Zeit ihren vergeblichen Hoffnungen und ihren Zweifeln zu überlassen. Was Lincoln freilich beinahe um den Verstand brachte, war die Frage, ob Melissa inzwischen dieselbe schlechte Meinung von ihm hatte wie ihre Onkel.
»Ein Kinderspiel« hatte die Duchess sein Vorhaben, Melissa den Hof zu machen, genannt. Welch ein Hohn!
Siebzehntes Kapitel
Justin hatte noch keine Zeit gehabt, an seiner rechten Geraden zu arbeiten. Abgesehen davon hatte sie ihn bisher selten im Stich gelassen, und nicht überall gab es glatte Marmorböden. Diesmal war er besser vorbereitet. Außerdem musste er auch nicht endlos warten, bis die Tür sich öffnete. Justins Faust traf Ian MacFearsons Kinn.
Der Aufprall der geballten Faust auf dem Kieferknochen klang vielversprechend, doch der Schlag hatte offenbar kaum eine Wirkung auf den Schotten. Ian drehte nur den Kopf ein wenig zur Seite. Justin war dennoch zufrieden mit sich und suchte nach einer günstigen Position, um weitere Hiebe zu verteilen. Als er Melissa erklärt hatte, manche Männer würden sich Erleichterung verschaffen, indem sie jemanden verprügelten, hatte er auch von sich selbst gesprochen.
Das war sicher kein akzeptables Benehmen für einen zukünftigen Duke; sein Vater würde wahrscheinlich missbilligend den Kopf schütteln. Aber Justin fühlte sich nach dem Schlag bereits etwas besser, und Ian Six machte erstaunlicherweise keinerlei Anstalten, über ihn herzufallen.
Es war ohnehin nicht Justins Absicht gewesen, den Mann bewusstlos zu schlagen. Wahrscheinlich hätte er sich damit auch schwer getan. Ian war größer als er und als der Altere sicher auch erfahrener, wenn es darum ging, die Fäuste sprechen zu lassen. Nein, Justin hatte vor allem seinem Arger Luft machen wollen und gehofft, sich hinterher etwas weniger machtlos zu fühlen.
Denn so wie die Dinge im Augenblick lagen, konnte er nicht viel für Meli tun.
Ian machte ihm Platz, damit er ins Zimmer treten konnte. Justin ließ die Fäuste sinken und trat ein. Beruhigen konnte er sich allerdings nicht. Ians schwache Reaktion auf seinen Fausthieb kam beinahe einer Beleidigung gleich. Der Schotte hätte wenigstens eine gewisse Überraschung zeigen können. Doch er schien geradezu mit dem Angriff gerechnet zu haben.
Vielleicht war er ja auch nur daran
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