Verheißungsvolle Küsse
Dieu« , brachte sie schließlich über die Lippen. Sie hätte sich bekreuzigt, wenn sie es gewagt hätte, die Reling, an die sie sich klammerte, loszulassen.
Mit dem Gesicht stand sie zum Bug; die Brücke und das Steuer waren achtern. Langsam legte sich der Angriff der Wellen, es blieb nur ein leichtes Schaukeln. Sie holte mühsam Luft und überquerte das Deck. Ging zitternd an der Lukenöffnung vorbei, wollte sich umdrehen, um Ausschau zu halten nach der See vor dem Bug.
Sah, wie die nächsten Wassermassen heranrasten.
Die erste traf, das Deck schlingerte. Sie griff nach einem Poller und klammerte sich fest.
Alles war nass; die zweite Welle traf und ihr rutschten die Füße weg, schlitterten. Verängstigt sah sie sich um und entdeckte, dass sie durchaus unter der Reling hindurchpasste. In Todesangst klammerte sie sich an den Poller.
Die dritte Welle erwischte sie und sie verlor den Halt. Helena kreitschte, spürte, wie ihre Finger auf der glitschigen Oberfläche abrutschten. Hörte einen Schrei, dann einen Fluch.
Sekunden später, gerade als die nächste Welle sie traf und ihre Hände endgültig den Halt verloren, wurde sie gepackt und an Sebastians harte Brust gerissen. Sein Arm umklammerte ihre Taille, drückte sie rücklings an sich, mit dem anderen hielt er sich an einem Tau fest, während die Jacht über die Welle kippte. In der Sekunde, in der sie drüber war, hechtete er zur Luke, erreichte die Leiter und schubste sie hinunter.
Sie hatte wenig Erfahrung mit englischen Flüchen; aber sein Ton ließ nur wenig Zweifel daran, dass er soeben etliche austieß.
»Es tut mir Leid.« Als er sie in dem schmalen Gang auf die Füße stellte, drehte sie sich zu ihm um.
Seine Augen waren brennend blau, die Lippen zu einem Strich zusammengekniffen. Er stand halb auf der Leiter, blockierte sie. »Du wirst von jetzt an immer einen Punkt vor Augen haben! Ich habe mich bereit erklärt, deine Schwester zu retten und das werde ich. Ich habe zugestimmt, dass du mich begleitest, wider mein besseres Wissen. Wenn du nicht auf dich und deine Sicherheit achtest, kann es gut sein, dass ich es mir anders überlege.«
Sie entnahm seinem Blick, der steinernen Entschlossenheit seiner Züge, dass er es ernst meinte. Beschwichtigend streckte sie ihre Hände aus, mit den Handflächen nach oben. »Ich habe gesagt, dass es mir Leid tut, denn ich bin - mir war nicht klar …« Sie deutete nach draußen, in Richtung Sturm. »Aber können wir nicht im Hafen anlegen?«
Er zögerte, dann glättete sich seine Miene. Eigentlich wollte er eine Stufe hinabsteigen - der Wind peitschte Gischt durch die Luke auf seinen Kopf. Knurrend drehte er sich um und knallte die Luke zu, dann kam er tatsächlich herunter. Als er den Kopf schüttelte, flogen Tropfen. Sebastian bedeutete ihr, nach hinten zu gehen. »In die Kabine!«
Sie ging voraus, er folgte. Einer kleinen Kommode, die in der Wand verankert war, entnahm sie ein Handtuch und reichte es ihm über die Schulter.
Er nahm es - die nächste Welle traf und schleuderte sie gegen ihn. Geistesgegenwärtig fing er sie auf und hielt sie fest. Und sie spürte die Spannung, die gezügelte Wut, die ihn gepackt hatte. Dann seufzte er. Seine starren Muskeln lockerten sich, die Verkrampfung ließ nach. Er beugte den Kopf und schmiegte seinen Kopf in ihre Locken. Atmete tief ein. »Mach nie wieder so etwas Dummes!«
Sie hob den Kopf. Stellte sich seinem Blick. Erkannte deutlich, weil er keinen Hehl daraus machte, die Verletzlichkeit hinter seinen Worten. Verwundert hob sie eine Hand und berührte seine hagere Wange. »Das verspreche ich.«
Sie streckte sich und berührte mit ihren Lippen die seinen - lud ihn zum Kuss ein, gab ihn zurück.
Für einen Moment brandete diese süße Macht zwischen ihnen auf, dann ließ er sie los. Sie trennten sich, er legte sie aufs Bett; doch sie strampelte sich hoch, setzte sich auf. Er stapfte zur Luke und sah hinaus, während er sich die Haare trocknete.
Sie wiederholte ihre Frage nicht, wartete nur.
»Wir können nicht anlegen bei diesem Seegang. Nicht gegen den Wind!«
Das hatte sie bereits erraten. Ihr Herz wurde schwer, nur ein bisschen, aber sie nahm sich zusammen. »Können wir nicht mit dem Wind segeln und irgendwo anders anlegen?«
»Schwierig! Der Wind wird uns eher auf die Felsen zutreiben.« Er sah sie an. »Außerdem« - er nickte in Richtung Luke - »das ist St. Malo, der nächstgelegene Hafen bei Le Roc. Sollten wir die Landung schaffen, brauchen wir
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