Verheißungsvolle Küsse
hervor.
Helena trug ein Reisekleid und hatte einen schweren Umhang über dem Arm. Ihr Blick war hell und wachsam, als sie auf ihn zuging. »Ist es Zeit aufzubrechen?«
Galant nahm er ihre Rechte. »Fast.« Er küsste ihre behandschuhten Finger, dann wandte er sich den beiden Briefen zu, die immer noch offen auf seinem Tisch lagen. »Deshalb habe ich die Erklärung stillschweigend an mich genommen.« Ich wollte dich nicht wecken.«
»Das dachte ich mir schon.« Helena legte den Kopf zur Seite, sah hoch zu ihm und wartete ab.
»Wenn wir in diesem Land heiraten wollen, geht es am schnellsten mit einer Sondererlaubnis - einem Dispens, wenn du es so ausdrücken willst. Ich habe einem geneigten Bischof geschrieben; aber um meine Bitte zu bekräftigen, und angesichts der Tatsache, dass du Französin bist und ein Mündel, muss ich Fabiens Erklärung beifügen.« Er hielt inne, dann fragte er: »Habe ich deine Erlaubnis, das zu tun?«
Unverzüglich beteuerte sie: » Aber ja doch. Natürlich!«
Er lächelte. »Bon.« Jetzt ließ er sie los, griff nach der Kerze und dem Siegelwachs. Und setzte sein Siegel auf das Schreiben.
»Geschafft!« Er legte den Brief auf seine Nachricht an Augusta und ein weiteres Kuvert, das an den königlichen Hof adressiert war. »Webster wird einen Kurier schicken.«
Er betrachtete den zweiten Brief, überlegte, ob er ihn erwähnen sollte. In dem Moment begegnete er Helenas peridotgrünen Augen - klar, frei von Wolken, nur eine gewisse Anspannung lag noch darin.
»Komm.« Er nahm ihre Hand. »Machen wir uns auf den Weg!«
12
Die Kutsche wurde von vier kraftvollen Pferden gezogen. Sie rumpelte in Richtung Süden durch die schweigende, reglose Landschaft, gefroren in den eisigen Klauen des Winters.
Eingebettet in die Bequemlichkeit der Lederpolster, in einem Kokon von weichen Pelzen und seidenen Decken, mit heißen in Flanell gewickelten Ziegelsteinen unter den Füßen, sah Helena zu, wie die Welt draußen vorbeiflitzte. Anfangs hatte sie versucht aufrecht zu sitzen, sich gerade zu halten und nicht der Versuchung zu erliegen sich an Sebastian anzulehnen, der wie ein unerschütterlicher Felsen neben ihr saß. Aber die Stunden vergingen, sie döste und nickte ein, während die Kutsche dahinschaukelte. Als sie erwachte, entdeckte sie, dass ihre Wange an Sebastians Brust gekuschelt war und sein Arm sie warm und tröstlich umfing, damit sie nicht auf den Boden rutschte.
Sie öffnete ihre Lider einen Spalt und sah zu ihrem Gegenüber. Phillipe schlief in einer Ecke.
Ihre Lider fielen wieder zu, an Sebastian geschmiegt schlummerte sie wieder ein.
Und träumte. Ein Wirrwarr von Bildern, das keinen Sinn ergab, jedoch durchgedrungen war von Wechsel, von sprießender Hoffnung, von einem Gefühl der Bestimmung und vager Furcht.
Vom Klappern der Hufe auf Pflastersteinen erwachte sie. Sie richtete sich auf, schaute aus dem Fenster und sah ein Meer von Läden und Häusern.
»London!«
Helena schaute zu Sebastian hoch. Phillipe sah sich, wie sie bemerkte, interessiert die Straßen an. »Wir müssen durch London?«
»Leider ist Newhaven in der Nähe von Brighton, was direkt südlich liegt.«
Ihre Lippen formten ein »Oh«, während sie die Häuser betrachtete und versuchte, ihre Ungeduld zu zügeln.
Versuchte ihre Überzeugung zu verdrängen, dass jetzt, wo sie einmal diese Reise angetreten hatten, sie sich ungeheuer beeilen müssten oder es würde etwas schief gehen. Geschwindigkeit war jetzt doch das Wichtigste, oder?
Sebastian packte ihre Hand und drückte sie beschwichtigend. »Louis hat keine Möglichkeit, Fabien rechtzeitig zu warnen!«
Sie sah ihn nachdenklich an, dann nickte sie und wandte sich wieder den Häusern zu.
Ein paar Minuten später begann Sebastian, sich mit Phillipe zu unterhalten, fragte ihn nach bestimmten französischen Adelsfamilien. Von da an entwickelte sich ein Gespräch über die Eigenheiten des französischen Hofes. Phillipe zog Helena mit ins Gespräch. Nach kürzester Zeit befanden sie sich in einer lebhaften, nicht gerade schmeichelhaften Diskussion über das augenblickliche politische Klima und übten Kritik an denen, die derzeit am Ruder waren. Erst als sie bemerkte, dass die Häuser weniger wurden und sie wieder offenes Land sahen, fiel es Helena auf, wie die Zeit verging.
Sie warf Sebastian einen Blick zu und sah seine blauen Augen unter schweren Lidern funkeln. Nun wandte sie sich wieder der Landschaft zu, das Gespräch versickerte. Insgeheim schüttelte
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