Verheißungsvolle Küsse
immer noch einen Tag bis Montsurs.« Sebastian machte eine Pause. »Le Roc ist in der Nähe, wie ich höre?«
»Eine halbe Stunde entfernt, mehr nicht.«
»Also … diese Stürme dauern nie lang. Es ist fast Mittag …«
»Mittag?« Sie sah ihn fassungslos an. »Ich dachte, es wäre früher Morgen.«
Er schüttelte den Kopf. »Bei Morgengrauen waren wir noch nördlich der Inseln und sind gut vorangekommen. Der Sturm zog erst auf, als wir in den Golf einfuhren.« Zuerst ließ er das Handtuch fallen, dann setzte er sich neben sie. »Also gilt es, unsere Chancen abzuwägen. Wenn wir aus diesem Orkan raus wollen, müssen wir entweder Kurs nach Norden nehmen und beten, dass sich der Wind weiter oben an der Küste legt - was er vielleicht nicht tut - oder nach Westen steuern. Dann hätten wir praktisch die Bretagne zu umrunden und in Saint-Nazaire anzulegen. In beiden Fällen bringt uns das weiter weg von Le Roc als Saint-Malo.«
Sie überlegte, holte Luft, spürte, wie sich ihre Brust zusammenzog. »Du willst also sagen, dass es das Beste wäre, zu bleiben und abzuwarten, bis der Sturm sich gelegt hat.«
Er nickte. Einen Moment später fügte er hinzu: »Ich weiß, dass du besorgt bist - aber wir müssen jede Möglichkeit sorgfältig abwägen.«
»Wegen Louis?«
Wieder nickte er, diesmal etwas knapper. »Wenn ihm einmal klar geworden ist, dass wir uns aus dem Staub gemacht haben, wird er nach Dover fahren und nach Calais übersetzen. Es ist unwahrscheinlich, dass er von dem Sturm noch behelligt wird.«
Sie steckte ihre Hand in seine. »Aber dann wird er nach Le Roc hinunterfahren müssen und das kostet ihn Zeit.«
»Genau deshalb bin ich der Meinung, dass wir heute hier abwarten sollten. Louis kann Somersham bestenfalls heute Morgen verlassen haben - höchstens vor ein paar Stunden. Vorher wird es ihm nicht gelungen sein abzureisen, nachdem so viele darauf angesetzt waren ihn aufzuhalten.«
Sie dachte nach, überlegte, dann seufzte sie. Nickte. »Also haben wir etwas Zeit.« Helena sah zu Sebastian auf. »Richtig - wir sollten warten.«
Er erforschte ihren Blick, hob eine Hand und legte sie an ihre Wange. Beugte den Kopf und strich mit seinen Lippen über ihre. »Glaube mir, mignonne ! Ariele ist bestimmt in Sicherheit.«
Sie vertraute ihm - vollkommen. Und tief in ihrem Herzen spürte sie, dass Ariele tatsächlich vorläufig gut aufgehoben war. Wenn sie und er zusammen agierten, entschlossen erfolgreich zu sein, würde die Rettung zweifellos gelingen.
Doch während sie warteten und die Stunden verstrichen, tauchte eine weitere Sorge auf. Hier war Sebastian, ein Engländer, der vorhatte, sich in das Herz Frankreichs einzuschleichen und eine junge französische Aristokratin vor der Nase ihres gesetzlichen Vormunds zu entführen - und das alles aus Liebe. Was, wenn er erwischt würde?
Würde sein Rang ihn beschützen?
Könnte ihn irgendetwas vor Fabien schützen, wenn er ihm in die Hände fallen sollte?
Die Diskussion, in welcher Verkleidung sie über Land nach Le Roc reisen würden, trug nichts dazu bei, diese neuerlichen Ängste zu beseitigen.
Philippe hatte sich zum Lunch zu ihnen an den Tisch in der Kabine gesellt. Der Küchenjunge bediente sie, auf ein Signal von Sebastian ging er und schloss die Tür.
»Meiner Ansicht nach wäre es das Beste, sobald wir die Jacht verlassen, irgendeinen offiziellen Grund für unsere Reise zu haben. Ich schlage vor, dass Ihr«, - Sebastian deutete mit dem Kopf auf Phillipe - »der jugendliche Spross einer edlen Familie seid.«
Phillipe lauschte aufmerksam. »Welcher Familie?«
»Ich würde die de Villandrys vorschlagen. Falls jemand Euch fragen sollte, seid Ihr Hubert de Villandry. Das Anwesen Eurer Eltern liegt in …«
»… der Garonne.« Phillipe grinste. »Ich war dort schon zu Besuch.«
» Bon . Dann wirkt Ihr überzeugend, falls es notwendig werden sollte.« Sebastian sah zu Helena und winkte lässig ab. »Ich rechne keinesfalls mit Schwierigkeiten, dies ist nur ein Notfall-Plan!«
Zögernd nickte sie. »Und wer soll ich sein?«
»Du bist natürlich Huberts Schwester.« Sebastian neigte den Kopf zur Seite, musterte sie und verkündete dann: »Adèle. Ja, das klingt gut. Du bist Adèle de Villandry. Und du reist mit uns, weil Phillipe und ich, da wir in den letzten Monaten kurz durch England streiften auch in London Halt machten; dort hast du dich uns angeschlossen, damit wir dich zurückbegleiten nach …« Er verstummte, überlegte.
»… ins Kloster
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