Verheißungsvolle Küsse
Helena den Kopf. Es mochte ja stimmen, dass er Fabiens Spiele nicht mehr mitmachte; aber an seinem Talent dafür hegte sie nur wenig Zweifel.
Oder daran, dass sie sich jetzt, wo sie die Seine war, und er sie auch als solche betrachtete, an kleine Stupser der Manipulation gewöhnen musste, ein sanftes Rütteln an ihren Schnüren - alles zu ihrem Besten natürlich.
Nie hätte sie geglaubt, dass sie bereit wäre, einen solchen Preis zu zahlen; doch für die Freiheit, für ihn …
Um die Seine zu sein - sicher, geborgen, innerhalb eines gewissen Rahmens frei zu sein. Mit der Erlaubnis, ihr eigenes Leben zu leben, wie sie es sich wünschte. Um ihr Schicksal als Lady von Rang, als Gemahlin eines mächtigen Mannes zu erfüllen.
Was kostete solch ein Dasein?
Sie döste vor sich hin, während die Kutsche weiterraste. Es war Abend; die Schatten gingen über in die Nacht, als sie vor einem Gasthaus gegenüber einem Kai hielten. Sebastian reckte sich, dann stieg er aus. Helena beobachtete, wie er mit einem Matrosen sprach, der herbeigeeilt war. Das stete Plätschern der Wellen und der Salzgeruch erfüllten die Abendluft. Der Matrose war wohl ein Angestellter Sebastians. Nachdem er seine Befehle erhalten hatte, machte er einen Diener und ging.
Sebastian kehrte zur Kutsche zurück. Er öffnete den Schlag und winkte. »Komm, wir haben Zeit zu dinieren, bevor die Flut wieder kommt.«
Erst half er ihr heraus, bevor Phillipe folgte. Sie überquerten den gepflasterten Hof zur Gasthaustür. Drinnen war alles sehr gemütlich. Der Gastwirt strahlte und führte sie unterwürfig zu einem Privatsalon. Der Tisch war für drei gedeckt. Sobald sie sich gesetzt hatten, erschienen Mägde mit dampfenden Platten.
Helena sah Sebastian fragend an.
Er erwiderte ihren Blick, dann schüttelte er seine Serviette aus. »Ich habe im Morgengrauen einen Reiter losgeschickt. Alles ist bereit. Wir können rechtzeitig in See stechen.«
Trotz ihrer Erleichterung, trotz seiner Planung brachte sie, inzwischen Beute unnennbarer Sorgen, nur wenig Appetit auf. Sebastian bestand darauf, dass sie zumindest die Suppe aß und ein, zwei Bissen Huhn. Während sie ihm den Gefallen tat, vertilgten er und Phillipe das Übrige.
Nach dem Dinner führte Sebastian sie durch den Hof des Gasthauses zum Kai. Seine Jacht, eine elegante Schaluppe, die aussah, als würde sie stets pfeilschnell durch den Kanal schießen, tanzte auf dem Wasser, wartete, zerrte an den Tauen wie ein Pferd, das sich danach sehnte loszurennen. Alles war bereit; das teilte ihm zumindest der Kapitän mit, als er ihr von der Laufplanke half.
Sebastian gab den Befehl abzulegen, und führte sie unter Deck.
Gerade war sie von der kurzen Leiter in den schmalen Korridor getreten, als das Boot sich mit der Dünung hob und sich die Segel blähten. Das Gefühl von Macht, vorwärts getrieben zu werden - in Richtung Frankreich, zu Ariele, war unerhört tröstlich. Sie blieb einen Moment stehen, spürte, wie ihre Hoffnung sich regte, ließ sich davon packen.
Sie merkte, dass Sebastian stehen geblieben war und zu ihr zurücksah, während Phillipe noch darauf wartete herunterzusteigen. Lächelnd stapfte sie weiter, ließ sich von Sebastian zu der Kabine am Ende des Korridors führen.
Die Kabine war klein, trotzdem geräumig, ohne überflüssigen Schnickschnack. Die Gediegenheit ihrer Ausstattung, das breite, in der Wand verankerte Bett, der Schimmer der Eichentäfelung, die Qualität der Bettwäsche bezeugte die Klasse des Besitzers.
Er war in den Korridor zurückgetreten; offenbar brachte er Phillipe zu einer anderen Kabine. Hörte sie über eine mögliche Ankunftszeit reden. »Irgendwann am Morgen«, sagte Sebastian. Phillipe war beeindruckt; er stellte Fragen über das Boot, seine Konstruktion. Helena hatte keine Lust mehr zu lauschen.
Sie schlug die breite Kapuze ihres Umhangs zurück, griff nach den Bändern am Hals. Es gab nur dieses eine Bett. Keine Sekunde bezweifelte sie, dass Sebastian von ihr erwartete, dies mit ihm zu teilen. Aber wie sollte sie schlafen …
Le Roc tauchte vor ihrem geistigen Auge auf, kalt und abweisend. Nicht einmal die Obstgärten und der Park ringsum konnte die harten despotischen Linien mildern.
Was machte Ariele, was dachte sie? Schlief sie, tief und fest mit einem Lächeln auf den Lippen? Den Schlaf der Unschuldigen - vertrauensvoll, naiv …
Ein Geräusch auf dem Korridor riss sie aus ihren Gedanken. Sie senkte den Kopf und zerrte an den Schleifen, als die Tür hinter
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