Verheißungsvolle Küsse
musste sie ihre Liste auf einen Namen reduziert haben - dem Abend von Lady Lowys Maskenball, dem letzten diesjährigen gesellschaftlichen Ereignis in der Hauptstadt. »Kennt Ihr das Haus so gut?«, fragte sie, um Zeit zu gewinnen.
»Ja.« Markham lächelte naiv. »Meine Großmutter und Lady Castlereagh waren Busenfreundinnen. Ich wurde als Kind oft hierhergeschleppt, um vorgezeigt zu werden.«
»Ah.« Helena erwiderte sein Lächeln, ihr war jetzt wohler in ihrer Haut. »Wo ist dieses Musikzimmer?«
Er führte sie in einen Seitengang, dann einen Korridor, der ihn kreuzte, hinunter. Das Musikzimmer lag an seinem Ende; dahinter befand sich durch Schwingtüren getrennt ein Raum, dessen Wände und Dach hauptsächlich aus Glas bestanden. Er ragte in den Garten und war von schwachem Mondlicht erleuchtet.
Markham öffnete die Tür und führte sie hinein. Helena war bezaubert von der Fülle von Schatten, den seltsamen Formen, die über die grünen Fliesen huschten. Die Luft war kühl aber nicht frostig, das sanfte Plätschern von Regentropfen auf dem Glas ein beruhigendes Geräusch.
Sie seufzte. »Es ist sehr angenehm hier.« Sie fand die Menschenmassen wirklich anstrengend, das Gefühl eingekeilt zu sein von Leibern, Hitze und Parfüm. Aber hier … dankbar holte sie tief, tief Luft. Als sie sich umdrehte, sah sie zu ihrer Überraschung, dass sein Blick etwas tiefer gerichtet war als auf ihr Gesicht.
Er fing sich rasch und lächelte. »Es gibt hier einen Teich - meiner Erinnerung nach hier entlang.«
Sein Gedächtnis funktionierte. Der Wintergarten war größer, als sie vermutet hatte. Kaum hatten sie den Bereich an der Tür verlassen und waren eine Reihe schmaler Pfade entlang gegangen, war sie sich nicht mehr sicher, welcher von ihnen zurückführte.
»Ah - hier ist er!«
Sie standen vor einem ziemlich großen, in den Boden eingelassenen Teich, der erhöhte Rand und die innere Oberfläche strahlten blau gekachelt. Helena bemerkte, dass sich im Wasser allerhand tümmelte.
»Fische!« Sie sah nach unten und beugte sich über den Rand.
Markham ging neben ihr auf die Knie »Da ist ein dicker - schaut!«
Helena beugte sich weiter vornüber. Markham bewegte sich. Seine Schulter stieß gegen die ihre.
»Oh!«
Sie haschte nach ihrem Begleiter - er packte sie.
»Helena! Meine teure, teure Comtesse!«
Er versuchte sie zu küssen.
Abrupt stemmte Helena ihre Arme gegen ihn und drückte ihn von sich.
»Wehre dich nicht gegen mich, Süße, sonst fällst du ins Wasser.« Markhams Stimme war warm und viel zu wissend, zu amüsiert.
Helena verfluchte insgeheim ihre Vertrauensseligkeit.
Seine Hände bewegten sich zu ihrem Rücken und ihre Nerven zuckten - nicht freudig. Er hatte ihre nackte Haut noch nicht berührt, aber all ihre Sinne rebellierten allein schon bei dem Gedanken.
»Hört sofort auf!« Sie versuchte, so herrisch wie möglich zu klingen.
Markham kicherte. »Oh, das werde ich - irgendwann.«
Wieder schlang er gierig die Arme um sie. Sie wehrte sich. Strampelte. »Nein!«
»Markham!«
Er erschrak derartig, dass er sie fast hätte fallen lassen. Dieses eine Wort - und die Stimme - ließ Erleichterung durch Helenas Adern strömen. Es war ihr sogar egal, was diese Tatsache bedeutete - sie wollte nur weg von diesem Schuft.
Der war völlig erschlafft. Sie fand ihr Gleichgewicht und riss sich mit einem Ruck los. Trat zurück, sah sich um.
Markham warf ihr einen vernichtenden Blick zu, wandte sich aber dann sofort wieder ihrem Retter zu.
Sebastian stand halb verdeckt in den Schatten, doch kein Schatten vermochte seine Bedrohlichkeit zu verdecken. Sie war an seiner Haltung erkennbar, schwängerte die gespannte Stille. Helena hatte reichlich Erfahrung im Umgang mit verärgerten mächtigen Männern. Sebastians Missfallen rollte wie eine Woge über sie hinweg und traf Markham mit Wucht.
Der trat unwillkürlich einen Schritt zurück, gewann Abstand zu ihr.
»Ich glaube, Ihr wart im Begriff, Euch zu entschuldigen?«
In Sebastians Stimme schwang die Kälte der Hölle, eine Ankündigung von Verdammnis.
Markham schluckte. Ohne den Blick von Sebastian zu wenden, verbeugte er sich vor Helena. »Ich bitte Euch, gewährt mir Verzeihung, Comtesse!«
Sie tat nichts, sagte nichts, betrachtete ihn genauso frostig wie Sebastian.
»Nachdem Mademoiselle Eurer Gesellschaft überdrüssig ist, schlage ich vor, dass Ihr Euch entfernt.« Sebastian bewegte sich, elegant wie immer, auf ihn zu. Markham wich zur Seite, sah sich
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