Verhext in Texas: Roman (German Edition)
und die Tatsache hinzuzog, dass hinter dem Ladentresen immer eine volle Kanne Kaffee stand.
»Oh, wie großartig«, sagte Mom und nahm ihn. »Das ist ja reizend von dir, dass du dich so um mich kümmerst.«
Sherri strahlte vor Stolz, aber als sie sich aufrichtete, schwankte sie plötzlich und legte sich eine Hand an die Stirn. »Ich glaube, der Raum dreht sich. Vielleicht liegt irgendwas in der Luft. Wir werden alle vergiftet.«
Ich musste mich sehr zusammennehmen, um sie nicht auszulachen, und wagte es nicht, meinem Bruder in die Augen zu sehen. Wir hätten uns sonst nicht mehr halten können, und Mom wäre sauer auf uns geworden. »Hilf mir mal auf, Katie«, forderte Mom mich auf. Und als Teddy auf ihre andere Seite trat, sagte sie: »Du riechst wie eine Chemiefabrik, Teddy, mein Schatz. Wahrscheinlich ist Sherri deinetwegen schwindlig.« Als sie wieder auf den Beinen war, schüttelte sie uns ab und sagte: »Das hättet ihr mal sehn sollen!«
Und dann fing sie an, das Ganze vorzuführen. Sie war gerade mittendrin, den mysteriösen Mann im Umhang dabei darzustellen, wie er den Platz verzauberte, als ein Kunde hereinkam. Und nicht irgendein Kunde. Es war der Pfarrer aus der Kirche meiner Eltern. Nach einem Blick auf meine herumtanzende, ihre Arme durch die Luft schwingende Mutter runzelte er die Stirn, doch bevor er etwas sagen konnte, hatte Sherri sich schon auf ihn gestürzt. Er war noch ziemlich jung – dies war erst sein zweiter Job nach der Ausbildung – und sah nicht schlecht aus. Aber irgendwie bezweifelte ich, dass Sherri geschnallt hatte, dass er ein Geistlicher war. Es war auch nicht so, als hätte sie besonders häufig eine Kirche betreten.
Wenn er überhaupt etwas zu Moms rasch beendeten Mätzchen sagen wollte, vergaß er es sofort wieder, weil er eine gefärbte Blondine in hautengen Klamotten buchstäblich am Hals hatte. Sherri verkaufte Gärtnereibedarf, als müsste sie teure Autos an den Mann bringen, will sagen, sie setzte ihren Sexappeal ein, obwohl sie dabei, ehrlich gesagt, vor allem sich selbst anpries. Ich erwartete, dass Mom Sherris Verhalten kommentieren würde, aber das war offenbar aussichtslos. Wenn ich nicht ganz sicher gewesen wäre, dass Mom immun gegen Magie war, hätte ich geschworen, dass Sherri in Wahrheit eine Hexe war, die Mom verzaubert hatte.
Trotz Sherris »Hilfe« bekam der Pfarrer seine Gemüsesamen und ging wieder. Wir machten da weiter, wo wir aufgehört hatten, nur dass Mom es aufgegeben hatte, die Gerichtsplatzszene nachzuspielen. »Meinst du, das war ein Schlaganfall oder so was in der Art?«, fragte Teddy mich leise.
»Nein, das glaube ich nicht. Sie benimmt sich nicht wie jemand, der einen Schlaganfall hatte. Ich glaube, sie ist einfach überspannt.«
»Vielleicht solltest du für alle Fälle mal mit ihr zum Arzt gehen. Ich finde, sie sollte nicht Auto fahren, bis wir sicher sind, was das war.«
»Meinst du, sie hat vielleicht Diabetes?«, fragte Molly. »Fällt man nicht manchmal in Ohnmacht, wenn man so was hat?«
»Ich dachte, das passiert nur, wenn die Wirkung des Insulins nachlässt«, sagte Teddy. »Dann fällt der Blutzuckerspiegel ab.«
»Es könnte auch Epilepsie sein«, schlug Molly vor.
Mom stemmte ihre Hände in die Hüften und sah uns wütend an. »Ich wäre euch dreien wirklich sehr verbunden, wenn ihr aufhören würdet, über mich zu reden, als wäre ich gar nicht da. Mir ist nur vor lauter Aufregung ein wenig schwindlig geworden. Ihr könnt euch eure Diagnosen also sparen.«
»Ja, ich verstehe gar nicht, wie ihr so gemein zu Mom sein könnt«, gurrte Sherri. »Ihr solltet sie wirklich respektvoller behandeln.«
Hätte Dave sich nicht diesen Moment ausgesucht, um das von ihm komplett ausgeräumte Regal umzustoßen und dabei vor Vergnügen laut zu kreischen, hätte ich mich womöglich kaum davon abhalten können, Sherri die Augen auszukratzen.
»Ach, Davy«, stöhnte Molly. Um weiteren Katastrophen dieser Art vorzubeugen, hob Teddy den protestierenden Davy vom Boden auf und trug ihn vom Ort des Geschehens weg, während Molly eilig wieder alles geraderückte.
»Ich finde trotzdem, du solltest …«, begann Teddy, wurde aber durch einen plötzlichen Aufschrei von Mom unterbrochen.
Ich betete im Stillen dafür, bei Verstand zu bleiben und nicht die Geduld zu verlieren, bevor ich mich umdrehte, um nachzusehen, was jetzt wieder los war. Wie war ich nur jemals auf die Idee gekommen, dass das Leben zu Hause ruhiger und einfacher sein würde?
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