Verhext in Texas: Roman (German Edition)
gerade ihren eigenen Ohnmachtsanfall auf dem Bürgersteig, wo mehr Leute sie sehen konnten.
Dass hier im Laden ständig die ganze Familie ein und aus ging, bedeutete glücklicherweise, dass jeden Moment noch jemand – und zwar jemand Nützlicheres – auftauchen musste, und tatsächlich kam Molly kurz darauf mit ihrem quengelnden Vierjährigen im Schlepptau herein. Als sie Mom auf dem Boden liegen sah, wurde sie blass und stützte sich am Tresen ab. Ich hoffte, dass sie mir nicht auch noch umfiel. »Was ist denn passiert?«, fragte sie.
»Mom hatte einen kleinen Ohnmachtsanfall. Es scheint ihr schon wieder besserzugehen, aber könntest du ihr vielleicht ein Glas Wasser holen?«
»Na klar.« Sie ließ die Hand ihres Sohnes los und sagte: »Mommy muss schnell mal Wasser für die Oma holen. Sei ein lieber Junge und bleib hier bei Onkel Teddy und Tante Katie.« Kaum war Molly außer Sichtweite, hörte er auf zu jammern und machte sich daran, alle erreichbaren Regale in seiner Nähe auszuräumen. Ich hatte gerade zu viele andere Sorgen, um ihn davon abzuhalten.
Teddy war allerdings weniger geduldig. »Davy!«, schimpfte er. Das Kind schaute ihn an, überlegte, ob es ihn testen sollte oder nicht, führte eine Hand zum nächsten Gegenstand im Regal, schaute noch mal zu Teddy hin, ließ es dann aber dabei bewenden und steckte den Daumen in den Mund.
Dann kam Molly mit einem Glas Wasser zurück, und ich half Mom, sich aufzusetzen und es zu trinken. »Mir geht’s gut, mir geht’s gut«, beteuerte sie, nachdem sie das Glas geleert hatte.
»Leute, denen es gutgeht, fallen aber nicht in Ohnmacht«, sagte Molly. »Also, was ist passiert?«
»Ich war auf dem Weg zum Friseursalon und hab den Gerichtsplatz überquert. Da stand ein Mann in einem Umhang. Es sah aus, als führte er eine Art Tanz auf, weil er mit den Armen durch die Luft ruderte. Und dann bewegten sich plötzlich die Statuen auf dem Platz, ich schwöre! Nicht viel, aber mehr, als Statuen sich normalerweise bewegen. Außer mir schien es niemand zu bemerken, obwohl da jede Menge Leute waren. Aber das Einzige, was sie getan haben, war, diesem Typen Geld zu geben, wenn sie an ihm vorbeikamen.«
»Das muss so eine Illusion gewesen sein, wie dieser David Copperfield sie vorführt«, sagte Teddy. »Du weißt schon, der so Sachen macht, wie die Freiheitsstatue im Fernsehen verschwinden zu lassen, zum Beispiel. Wahrscheinlich wollte er mit seinem Zaubertrick Geld zusammenschnorren.«
»Hast du mir zugehört?«, giftete Mom. »Ich sagte, es hat nicht mal jemand hingeguckt, als die Statuen sich bewegten. Wenn es keiner merkt, warum sollten die Leute ihm dann Geld dafür geben? Das war so verrückt, dass ich es so schnell wie möglich jemandem erzählen musste.«
Jetzt, wo seine Mutter zurück war, fing Davy wieder an, fröhlich die Auslage vorn im Laden auseinanderzunehmen. »Ach, Schätzchen, lass das doch«, stöhnte Molly, was ihn aber keineswegs davon abhielt weiterzumachen.
Es war ein Zeichen dafür, wie durcheinander Mom war, dass sie eine geschlagene Minute brauchte, um sich umzudrehen und ihrem Enkel zu drohen: »David Chandler, wenn du nicht sofort damit aufhörst, darfst du nie mehr in den Laden deines Großvaters kommen.« Das wirkte, in zweierlei Hinsicht. Davy hörte auf sie, und sie selbst schien wieder ganz zu sich zu kommen. In ihre Wangen kehrte die Farbe zurück, und ihre Augen sprühten wieder vor Leben.
»Also, wie ich schon sagte, das war absolut meschugge. Ich fühlte mich, als befände ich mich mitten in einem Traum. Da passieren ja auch immer so merkwürdige Dinge, und ich war die Einzige, die was gemerkt hat – vielleicht war ich auch die Verrückte und alles andere war normal.« Ich kannte dieses Gefühl selbst nur zu gut. So fühlte ich mich häufig bei der Arbeit – in meinem richtigen Job als eine der wenigen Immunen, die für eine Zauberfirma arbeiten. Aber hier durfte so etwas doch eigentlich gar nicht vorkommen. Hier sollte alles vollkommen normal zugehen.
»Vielleicht hast du ja wirklich geträumt«, schlug Molly vor. »Und bist im Schlaf umhergewandert oder so was. Ich hab schon von Leuten gehört, die sich im Traum was zu essen kochen oder Auto fahren.«
»Ich hab aber nicht geschlafen«, beharrte Mom. »Ich hab es gesehen!«
In dem Moment kam Sherri herein. »Ich hab dir Kaffee mitgebracht«, sagte sie. Sie musste ins Starbucks in Waco gefahren sein, um ihn zu holen, wenn man bedachte, wie lange sie dafür gebraucht hatte,
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