Verhext
hast keine besonders gute Menschenkenntnis. Zumindest nicht, was Herzensangelegenheiten betrifft.«
»Herzensangelegenheiten sollten nicht anders als Geschäfte abgewickelt werden. Man sollte immer Vorsicht walten lassen und die Dinge genau abwägen.«
»Du meinst, mit einem gewissen Maß an Zynismus, nicht wahr? Ich verstehe, daß du versuchst, deinen Bruder vor einer unglücklichen Ehe zu bewahren«, sagte Iphiginia sanft. »Aber ich glaube, du gehst die Sache falsch an.«
»Das geht dich überhaupt nichts an, Iphiginia.«
»Unsinn. Du hast mich in die Sache hineingezogen. Wenn du mich hättest heraushalten wollen, hättest du Dorchester niemals erzählen dürfen, daß du die Absicht hast, in Kürze deine Verlobung bekanntzugeben. Jetzt müssen wir beide uns mit all den lästigen Fragen und Spekulationen der Leute auseinandersetzen. Das macht die ganze Sache wesentlich komplizierter, als sie ohnehin schon ist.«
»Ich habe damit keine Probleme. Einer meiner Grundsätze ist es, persönliche Fragen niemals zu beantworten.«
»Aber, Marcus, die Leute werden erwarten, daß du dich mit einer der jungen Damen, die dieses Jahr in die Gesellschaft eingeführt wurden, verlobst. Nicht mit deiner Mätresse. Selbst dein eigener Bruder geht davon aus, daß du eine der Ladys aus deinen Kreisen nimmst.«
»Ich werde mich mit einer jungen Dame verloben, die dieses Jahr in die Gesellschaft eingeführt wurde«, sagte Marcus. »Mit dir.«
»Du bist der größte Dickschädel, der mir jemals begegnet ist.«
»Am besten gewöhnst du dich gleich daran, denn ich habe nicht die Absicht, mich in irgendeiner Weise zu ändern.«
Iphiginia unterdrückte einen Seufzer. »Reden wir lieber wieder über das, worum es im Augenblick geht. Ich rate dir, Bennet und Juliana gegenüber nicht allzu hart und unnachgiebig zu sein. Ich fürchte, wenn du versuchst, ihnen deinen Willen aufzuzwingen, treibst du sie einander nur noch mehr in die Arme.«
»Ich erinnere mich nicht daran, dich um Rat gebeten zu haben.«
»Warum unterhalten wir uns dann überhaupt darüber?«
»Wenn ich das wüßte«, murmelte er. »Auf jeden Fall geht dich die ganze Sache nichts an. Bennet ist mein Bruder, und ich werde tun, was ich für richtig halte.«
»Marcus, ich verstehe ja deine Besorgnis. Du willst ihn nur beschützen.«
»Und was ist daran falsch?«
»Nichts. Ich verstehe dich. Du hast ihn aufgezogen. Ich nehme an, daß du in vielerlei Hinsicht eher ein Vater als ein Bruder für ihn bist. Mir ging es mit meiner Schwester ganz ähnlich. Auf gewisse Weise war ich fast wie eine Mutter für sie.«
»Das weiß ich«, sagte er leise.
»Du und ich hatten bereits die Verantwortung für ein Kind, als wir selbst kaum erwachsen waren. Und genau wie richtige Eltern wollen wir unsere Schutzbefohlenen vor allem Übel bewahren. Aber so sehr wir sie auch behüten wollen, können wir es doch nicht unser Leben lang tun.«
»Ich kann und werde Bennet vor Juliana Dorchester beschützen.« »Du gehst die Sache falsch an.«
»Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?« knurrte Marcus. »Ihnen noch meinen Segen geben?«
»Ja.«
»Niemals.«
»Hör mir zu.« Iphiginia beugte sich vor. »Sag deinem Bruder, daß du ihm deinen Segen geben wirst, wenn er sich mit einer angemessenen Verlobungszeit einverstanden erklärt.«
»Und was nennst du angemessen?«
»Viele junge Paare der besseren Gesellschaft sind ein Jahr lang verlobt. Sicher kannst du Bennet dazu bewegen, dir diesen Wunsch zu erfüllen. Bitte ihn um eine mindestens sechsmonatige Verlobung.«
»Und was passiert danach?«
»Ein Jahr ist eine lange Zeit, Marcus. Und auch sechs Monate sind nicht wenig. Wenn Juliana für Bennet nicht die Richtige ist, hat er ausreichend Gelegenheit, das festzustellen.«
»Eine Verlobung zu lösen ist keine leichte Sache.«
»Stimmt, aber es ist möglich, und es wird immer wieder gemacht. Du kannst dafür sorgen, daß es in aller Stille geschieht.«
Marcus’ Miene verfinsterte sich. »Und was ist, wenn es Juliana gelingt, sich und Bennet zu kompromittieren, ehe das Jahr vorüber ist?«
»Die Gefahr besteht immer. In der Tat ist sie im Augenblick noch größer, weil die beiden verzweifelt sind. Wenn Juliana für Bennet genauso empfindet wie er für sie, dann sehen die beiden sich vielleicht als unglückselige Liebende. Sie könnten beschließen, ihren Familien und der Konvention zu trotzen, um zusammen zu sein.«
»Verdammt. Was du da sagst, trifft nur dann zu, wenn ich mich
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