Verhext
Gang entlang bis ans andere Ende des Theaters, wo Iphiginias Loge war.
Herbert Hoyt trat gerade in dem Augenblick auf den Flur hinaus, als Marcus die Hand ausstreckte, um den Vorhang zu öffnen.
»Oh, Verzeihung.« Hoyt trat eilig beiseite. »Guten Abend, Masters. Ich hatte nicht die Absicht, Sie umzurennen. Verdammt voll hier draußen im Flur, nicht wahr?«
»Ja.« Marcus betrat die Loge und ließ den Vorhang fallen.
»Guten Abend, Iphiginia. Miss Farley« Ohne eine Einladung abzuwarten, nahm sich Marcus einen der kleinen Stühle.
»Mylord«, murmelte Amelia höflich, ehe sie sich abwandte, um das Treiben im Parkett zu beobachten.
Marcus kam der Gedanke, daß Amelia ihn auf ebenso subtile Weise schnitt, wie Sands es häufig tat. Anscheinend erfreute er sich in letzter Zeit keiner allzu großen Beliebtheit.
Iphiginia lächelte. Ihre Augen blitzten vor Neugier. »Guten Abend, Mylord. Ich dachte, ich hätte Sie vor ein paar Minuten in der Loge der Dorchesters gesehen.«
»Ich habe ein paar Worte mit Dorchester gewechselt.« Marcus streckte seine Beine aus und sah sie stirnrunzelnd an. »Warum zum Teufel stolpere ich eigentlich immer wieder über Hoyt? Er scheint eine Menge Zeit in deiner Nähe zu verbringen.«
Iphiginia zuckte mit den Schultern. Die Kristalle an ihrem Hals versprühten ein farbloses Feuer. »Mr. Hoyt ist ein guter Freund. Und er ist vollkommen harmlos. Das wissen Sie, Mylord.«
»Er ist verdammt lästig.«
Iphiginia zog die Brauen hoch. »Sie scheinen schlechte Laune zu haben, Sir.«
»Allerdings.« Marcus blickte in Richtung der Bühne, als die Lichter im Zuschauerraum erloschen. »Aber vielleicht wird sie ja besser, wenn ich Kean spielen sehe.«
»Das hoffe ich.« Iphiginia warf ihm noch einen fragenden Blick zu, ehe sie sich ebenfalls der Bühne zuwandte.
Kean spielte die Rolle des Macbeth hervorragend, aber selbst seine hinreißende Aufführung trug nicht dazu bei, Marcus’ Stimmung zu heben.
Eigentlich wollte er nicht das Schauspiel verfolgen, sondern mit
Iphiginia sprechen. Er wollte ihr von Bennets sturer Entschlossenheit erzählen, Juliana Dorchester zu heiraten.
Er mußte ihr seine Sorgen mitteilen, ihre Meinung wissen und sie fragen, ob sie fand, daß es richtig gewesen war zu versuchen, Dorchester abzuschrecken.
Aber die Fähigkeit, einen anderen Menschen an seinen Problemen teilhaben zu lassen, hatte er bereits vor Jahren verloren. Es war so lange her, daß er jemand anders um Rat gebeten, ihm Unsicherheiten eingestanden oder ihn einfach nach seiner Meinung gefragt hatte, daß er noch nicht einmal mehr wußte, wie er das machen sollte.
Auf jeden Fall gestatteten es ihm seine Grundsätze nicht, Schwäche zu zeigen.
Mitten in der letzten Szene von Macbeth wurde plötzlich der Vorhang aufgerissen, und Bennet kam hereingestapft. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, und sein Gesicht war eine Maske des Zorns.
»Zur Hölle mit dir, Marcus. Das werde ich dir niemals verzeihen. Ich weiß, was du vorhast, aber es wird dir nicht gelingen. Hörst du? Du kannst mich nicht davon abhalten, Juliana zu heiraten.«
Marcus wandte sich langsam um. Er bemerkte Iphiginias und Amelias Verblüffung.
»Du scheinst deine Erziehung zu vergessen«, sagte Marcus milde. »Erlaube mir, dich mit Mrs. Bright und Miss Farley bekannt zu machen.«
Bennet bedachte Iphiginia mit einem vernichtenden Blick. »Warum sollte ich in Gegenwart deiner Mätresse gutes Benehmen zeigen, wenn du dich noch nicht einmal dazu herabläßt, meiner zukünftigen Frau und den Mitgliedern ihrer Familie gegenüber Höflichkeit walten zu lassen?«
»Das reicht.« Marcus erhob sich. »Ich habe dich gewarnt, Bennet. Wir werden später über diese Angelegenheit sprechen.«
»Da gibt es nichts zu besprechen. Ich hätte wissen müssen, daß du nichts unversucht lassen würdest, um mein Glück zu zerstören. Aber seltsamerweise kam es mir nicht in den Sinn, daß du so weit gehen könntest. Wie ich höre, hast du die Absicht, mich zu enterben.«
»Darüber werden wir sprechen, wenn wir zu Hause sind«, sagte Marcus mit ruhiger Stimme.
»Glaubst du etwa, daß es mich auch nur die Bohne interessiert, ob du mich enterbst oder nicht? Ich komme auch allein zurecht. Und Juliana weiß das. Sie vertraut mir, auch wenn du und ihr Vater das nicht tun.«
»Wenn du unbedingt eine Szene möchtest, dann gehen wir besser nach draußen.«
»Nicht nötig. Ich gehe schon.« Bennet verzog den Mund zu einem verächtlichen Schnauben.
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