Verhext
künstlerischen Standpunkt betrachtet, durchaus anregend sein.«
»Unsinn.« Amelia faltete die Zeitung zusammen, legte sie beiseite und bedachte Iphiginia mit einem fragenden Blick.
»Denkst du vielleicht darüber nach, wie du vor der Affäre, in die du dich verstrickt hast, davonlaufen kannst?«
»Der Gedanke kam mir.«
»Muß ich dich erst daran erinnern, daß das nicht so einfach ist? Wir sind gerade mitten in den Vorbereitungen für die Finanzierung des Bright-Place-Projekts. Wir können uns wohl kaum um die Einzelheiten eines so großen Bauvorhabens kümmern, wenn wir in Amerika sind. Es dauert Wochen, wenn man eine Nachricht über den Atlantik schicken will.«
Iphiginia seufzte. »Ich nehme an, du hast recht.«
»Wenn du dich der ganzen Sache entziehen willst, schlage ich vor, daß wir nach Deepford fahren.«
»Niemals.« Allein der Gedanke ließ Iphiginia erschaudern. »Die amerikanische Wildnis wäre mir tausendmal lieber als die erstickende Enge in Deepford. Ich werde niemals dorthin zurückkehren.«
»Dann mußt du dir eben einen anderen Ort suchen.« Amelia streckte die Hand nach der Kaffeekanne aus. »Aber warum diese plötzliche Panik? Ich hatte den Eindruck, daß du dächtest, du hättest alles unter Kontrolle.«
»Die Dinge entgleiten mir«, murmelte Iphiginia.
»Inwiefern?« Amelia riß plötzlich besorgt die Augen auf. »Gütiger Himmel, du bist doch nicht etwa schwanger?«
Iphiginia zuckte zusammen. »Nein, natürlich nicht.« Zumindest glaube ich das nicht. Sie kreuzte die Finger in ihrem Schoß.
Amelia runzelte die Stirn. »Ich nehme an, als Mann von Welt kümmert sich Masters um solche Dinge.«
»Uh, ja.« Iphiginia nahm einen Löffel und rührte eilig in ihrem Kaffee herum. »Ja, natürlich.«
»Erzähl mal, benutzt er diese seltsamen französischen Dinger aus Schafsdarm? Die, von der uns die italienische Gräfin erzählt hat?«
»Amelia.«
»Ich wollte schon immer mal eins sehen.« Amelia sah sie interes-siert an. »Außerdem erwähnte die Gräfin, daß eine Frau einen kleinen Schwamm benutzen kann, der mit irgendeiner Flüssigkeit getränkt ist.«
»Darüber möchte ich nun wirklich nicht am Frühstückstisch sprechen, Amelia.«
»Oh.« Amelia zuckte mit den Schultern. »Dann vielleicht ein andermal.«
»Vielleicht.« Sofort nachdem sie mit Marcus über dieses Thema gesprochen hätte, dachte Iphiginia grimmig. Er hatte die Möglichkeit einer Schwangerschaft niemals auch nur erwähnt. Und sie selbst hatte, Gott stehe ihr bei, bisher keinen einzigen Gedanken darauf verschwendet.
Vor ihrem inneren Auge sah sie sich bereits vor sich, wie sie Marcus’ Baby in den Armen hielt. Es war ein so übermächtiges Bild, daß sie verwundert den Atem anhielt.
Das Kind würde die Miniaturausgabe der schönen starken Hände seines Vaters haben, seine leuchtenden, intelligenten, bernsteinfarbenen Augen und seine breite Stirn.
Es wäre wunderhübsch, und sie würde es ebenso lieben, wie sie seinen Vater liebte.
»Iphiginia? Hörst du mir überhaupt zu?«
Sie blinzelte und kehrte in die Realität zurück. »Wie bitte?«
»Ich habe vorgeschlagen, daß wir nach Bath fahren, wenn du dir wegen deiner Beziehung zu Masters Sorgen machst. Ich wollte schon immer einmal dorthin.«
»Ich werde darüber nachdenken.« Iphiginia legte ihren Löffel auf die Untertasse. »Wird es dir nicht fehlen, wenn du nicht mehr direkt mit Mr. Manwaring Zusammenarbeiten kannst?«
»Was meinst du?«
»Ich denke, wir kommen mit der Arbeit an dem Bright-Place-Projekt deshalb so gut voran, weil Mr. Manwaring in der Nähe ist und uns jederzeit zur Verfügung steht. Wenn wir in Bath sind, wird es schwieriger sein, so eng mit ihm zusammenzuarbeiten. Wir müssen uns dann auf dem Postweg verständigen und können ihn nur hin und wieder sehen.«
»In all den Jahren in Deepford sind wir ja auch gut ohne ihn zurechtgekommen.« Amelia griff erneut zu ihrer Zeitung und vertiefte sich in einen der Artikel. »Es stimmt, die Dinge sind einfacher, wenn Mr. Manwaring in der Nähe ist. Aber ich bin sicher, daß wir auch von Bath aus die Geschäfte fortführen können.«
Iphiginia unterdrückte einen Seufzer. Vielleicht hatte sie sich ja geirrt, als sie zu dem Schluß gekommen war, daß Amelia und Mr. Manwaring wie füreinander geschaffen waren.
Anscheinend hatte sie nicht halb so viel Ahnung von Gefühlsdingen, wie sie immer angenommen hatte. Die Situation, in der sie selbst sich befand, war ja wohl das beste Beispiel dafür,
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