Verhext
weiß, daß er, wenn er seinen ehernen Grundsatz über Bord wirft, um wieder zu heiraten, ein junges Mädchen der besseren Gesellschaft nehmen wird, das ihm dann einen Erben schenkt. Das wird von ihm erwartet.«
»Sie gehen wirklich zu weit, Herbert. Sie wissen, daß ich über meine Beziehung zu Masters mit niemandem spreche.« Iphiginia war sich der verstohlenen Blicke bewußt, mit denen die anderen Tänzer sie und Herbert musterten.«
»Ich wollte Ihnen gewiß nicht zu nahe treten, Madam.« Herbert blickte sich verlegen um und nahm Iphiginias Arm, um sie eilig von der Tanzfläche zu führen. »Bitte verzeihen Sie.«
»Natürlich.«
»Meine Bemerkung war wirklich unpassend. Aber ich mache mir ernsthafte Sorgen um Sie.«
»Ich weiß, Herbert.« Sie tätschelte seinen Arm. »Aber ich bin kein unschuldiges junges Mädchen mehr. Ich bin eine Frau von Welt und als solche durchaus in der Lage, auf mich aufzupassen.«
»Wenn Sie es sagen.« Herbert zog erneut sein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Sie sind eine tapfere Frau, meine Liebe. Ich werde Sie immer bewundern. Bitte denken Sie daran - falls ich Ihnen jemals in irgendeiner Weise behilflich sein kann, dürfen Sie nicht zögern, mich darum zu bitten.«
»Danke, Herbert.« Sie lächelte. »Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich sehe da gerade jemanden, mit dem ich unbedingt sprechen muß.«
»Ja, ja, natürlich.«
Herbert stopfte das zerknitterte Taschentuch zurück in seine Hosentasche. Iphiginia spürte den wehmütigen Blick, mit dem er ihr nachsah, als sie sich durch den überfüllten Ballsaal schob.
Sie wußte, daß Herbert es nur gut mit ihr meinte und daß ihre Tante sie ebenfalls nur schützen wollte, aber keiner der beiden kannte die Wahrheit. Und Iphiginia hatte nicht die Absicht, auch nur den Versuch zu unternehmen, ihnen die bizarre Situation zu erklären, in der sie sich im Augenblick befand.
Neugierige Augenpaare, die meisten höflich abgewandt oder diskret hinter hochgehaltenen Fächern verborgen, versuchten, ihr nachzusehen, als sie zur Flügeltür hinüberging.
Iphiginia wußte, daß inzwischen die gesamte Londoner Gesellschaft über das Gerücht von Masters’ bevorstehender Verlobung Bescheid wußte.
Wieder einmal sprach alle Welt über sie, genau wie vor ein paar Wochen, als sie plötzlich in den besseren Kreisen aufgetaucht war. Aber dieses Mal betrafen die Spekulationen ihr weiteres Schicksal.
Wie Iphiginia wußte, erwartete niemand, daß Marcus seine Mätresse aufgeben würde. Es wurde allgemein erwartet und akzeptiert, daß er eine Geliebte und eine Ehefrau haben würde.
Die einzige Frage, um die es ging, war, ob seine unberechenbare, unabhängige Mätresse ihm vielleicht eher den Laufpaß geben würde, als ihn mit einer Braut zu teilen.
Die Leute verfolgten die Entwicklung mit Spannung, doch niemand war ernstlich schockiert. Das einzige, was die Hautevolee ernsthaft verblüffen würde, wäre die Entdeckung, daß Masters die Absicht hatte, seine Geliebte zu ehelichen.
Und noch verblüffter wäre sie, wenn sie erführe, daß diese nicht die Absicht hatte, ihn zu heiraten.
Aber derart bizarre Möglichkeiten zog niemand in Betracht, da selbst die blühende Phantasie der Leute immer zwei Schritte hinter dem berüchtigten Earl of Masters herhinkte.
Iphiginia glitt durch die geöffnete Tür und floh in die kühle Dunkelheit der Terrasse. Die Handvoll anderer Leute, die sich bereits draußen aufhielt, wandte sich interessiert zu ihr um.
Iphiginia ignorierte die neugierigen Blicke und zog sich in die Einsamkeit der hintersten Terrassenecke zurück. Sie brauchte ein paar Minuten für sich. Es war ein anstrengender Tag und ein noch anstrengenderer Abend gewesen.
Schritte und ein männliches Räuspern hinter ihr verrieten ihr, daß sie diesen Teil der Terrasse nicht lange allein für sich gehabt hatte.
»Mrs. Bright?« fragte Bennet mit kaum hörbarer Stimme.
Iphiginia drehte sich langsam zu ihm um und setzte ein Lächeln auf. »Guten Abend, Mr. Cloud.«
»Ich sah, wie Sie nach draußen gingen.« Bennet blickte besorgt in Richtung des hell erleuchteten Ballsaals. Dann wandte er sich wieder Iphiginia zu. Er straffte die Schultern und atmete tief ein. Seine Miene verriet trotzige Entschlossenheit.
»Sie erinnern mich an Ihren Bruder, wenn Sie so gucken«, sagte Iphiginia trocken.
Bennet runzelte die Stirn. »Wenn ich wie gucke?«
»Egal. Worum geht es?«
»Mrs. Bright, ich will ganz offen mit
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