Verhext
ägyptischen Totenmaske hatte, zeigte sich ein Anflug von Überraschung. »Freut mich zu hören, Sir. Normalerweise kommen Sie von einer Soiree oder einem Ball nicht mit einer solchen, eh, Begeisterung zurück.«
»Das ist mir durchaus bewußt, Lovelace. Aber der Ball, den ich heute abend besucht habe, war in gewisser Weise ungewöhnlich.« Als Marcus durch die Eingangshalle hinüber zur Bibliothek ging, hallten seine Stiefel auf dem golddurchwirkten schwarzen Marmorboden wider. »Sie dürfen sich zurückziehen. Ich werde die Lichter löschen.«
»Vielen Dank, Sir.« Lovelace machte eine bedeutungsvolle Pause. »Es gibt noch etwas, was ich Ihnen sagen sollte.«
»Und das wäre?«
»Ihr Bruder kam am frühen Abend hierher. Er ist vor einer Stunde gegangen. Ich glaube, er wollte in seinen Club.«
»Bennet ist hier in London?« Marcus runzelte die Stirn. »Ich dachte, er wäre zu Besuch bei Freunden in Schottland.«
»Ja, M’lord. Ich weiß.«
»Nun, ich werde morgen früh mit ihm sprechen.« Marcus betrat die Bibliothek. »Gute Nacht, Lovelace.«
»Gute Nacht, Sir.« Lovelace schloß leise die Tür.
Marcus ging durch das Zimmer zu dem kleinen Tisch in der Ecke. Der edle französische Brandy in der Kristallkaraffe schimmerte bernsteinfarben.
Marcus schenkte sich ein Glas ein und nahm in dem großen, bequemen Ohrensessel Platz. Er atmete geistesabwesend den schweren Duft ein, der ihm aus dem Glas entgegenstieg, und dachte über die Tatsache nach, daß er eine neue Affäre beginnen würde.
Das Überraschende daran war, daß ihn der Gedanke mit freudiger Erwartung erfüllte. Wirklich ungewöhnlich.
Die normalen Unannehmlichkeiten, die mit dem unvermeidbaren Ende einer Beziehung verbunden waren, hatten ihn schon immer gestört. Aber in letzter Zeit hatte er selbst die Zeit und Mühe gescheut, die es kostete, um eine neue Liaison einzugehen.
Es war schwierig, eine gewisse Begeisterung für die Sache zu entwickeln, wenn man von vornherein wußte, wie alles enden würde. Mit der Zeit hatte er sogar ein Talent dafür entwickelt, genau sagen zu können, wann alles vorbei wäre.
Die Zeiträume zwischen den einzelnen Techtelmechteln waren immer länger geworden, bis die körperlichen Bedürfnisse zu stark wurden, als daß er sie länger hätte ignorieren können.
Die Schwierigkeit bestand einfach darin, daß er die normale männliche Begierde nicht einfach vollkommen abschütteln konnte. Wenn er besonders melancholisch gestimmt war, fragte er sich manchmal, wie es wohl wäre, von allen Gefühlen frei zu sein. Dann wäre er in der Lage, die undurchsichtige Welt romantischer Wirrungen hinter sich zu lassen und sich ganz seinen intellektuellen Neigungen hinzugeben.
Der Gedanke zauberte ein Grinsen auf sein Gesicht. Wenn er heute nacht eines festgestellt hatte, dann, daß es nicht allzu wahrscheinlich war, daß sein Körper ihm in nächster Zeit gestatten würde, seine Lust zu ignorieren. In seinen Lenden spürte er immer noch den Schmerz unbefriedigter Leidenschaft.
Aber der interessanteste Aspekt der ganzen Situation war, daß ihn der Gedanke an die Arbeit, die es ihn kosten würde, um die Dame zu verführen, nicht abschreckte. In der Tat war dies seit langer, langer Zeit das erste Mal, daß er sich regelrecht darauf freute.
Sein Instinkt sagte ihm, daß die Dinge mit Iphiginia vollkommen neu und anders sein würden.
Als erstes hatte er nicht bereits das unweigerliche Ende ihrer Affäre vor Augen.
Endlich einmal würde er eine Beziehung anfangen, ohne direkt zu wissen, wann und wie sie enden würde. Das allein reichte, um seinen Appetit anzuregen.
Marcus nippte an seinem Brandy und dachte über die Vergnüglichkeiten einer leidenschaftlichen Affäre nach, die ihm viele Überraschungen versprach.
Er fragte sich, wie lange sie wohl an ihrer lächerlichen Geschichte von der Erpresserjagd festhalten würde.
Er mußte der Lady zu ihrem Einfallsreichtum gratulieren. Sie hatte es auf brillante Art und Weise geschafft, sich Zugang zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen zu verschaffen.
Zweifellos hatte sie erwartet, daß er nicht vor Ende des Monats nach London zurückkehren würde, was ihr genug Zeit gelassen hätte, sich einen wohlhabenden Liebhaber zu angeln. Oder vielleicht war sie die ganze Zeit darauf ausgewesen, seine Aufmerksamkeit zu wecken.
Dieser letzte Gedanke war durchaus angenehm. Und höchst schmeichelhaft.
Marcus drehte langsam das Brandyglas in seinen Händen. Seinetwegen sollte sie diese
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