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Verhext

Titel: Verhext Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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Müdigkeit gelitten. Ihre körperlichen Gebrechen waren im allgemeinen eher vager Natur gewesen, doch in dem Jahr, als Marcus achtzehn geworden war, war sie plötzlich von heftigem Fieber befallen worden und ihm innerhalb weniger Stunden erlegen. Marcus hatte sich, den zweijährigen Bruder auf dem Arm, an ihr Bett begeben und war nicht einmal von ihrer Seite gewichen, während sich sein Vater auf der Fuchsjagd vergnügt hatte.
    Cloud hatte den Tod seiner Frau vor allem deshalb bemerkt, weil er seine Jagdpläne gestört hatte, und nicht, weil er ihn mit einem Gefühl des Verlustes erfüllt hätte. Er hatte sein Leben unverändert weitergelebt, doch elf Monate nachdem seine von ihm sträflich vernachlässigte Frau dem Fieber erlegen war, hatte sein neuestes Reitpferd vor einem Zaun gescheut, er war abgestürzt und hatte sich das Genick gebrochen.
    An dem Morgen, als der Pfarrer gekommen war, um ihm die Nachricht vom Tod seines Vaters zu überbringen, hatte Marcus gerade mit den Männern auf dem Feld gearbeitet. Er war gerade damit beschäftigt gewesen zu überprüfen, ob die Veränderungen, die er an der neuen Mähmaschine vorgenommen hatte, zu einer Leistungsverbesserung geführt hatten.
    Er erinnerte sich noch genau an die eigenartige Unberührtheit, mit der er die gemurmelten Beileidsbezeugungen des Pfarrers vernommen hatte.
    Ein Jahr zuvor hatte er den Tod seiner Mutter tagelang heimlich beweint. Aber an dem Morgen, als sein Vater gestorben war, hatte er nicht eine einzige Träne vergossen.
    Das einzige, was er verspürt hatte, war ein Anflug sinnlosen Ärgers.
    Er hatte den Grund für diesen Zorn nicht verstanden, also hatte er ihn irgendwo tief in seinem Inneren vergraben und ihm niemals erlaubt, noch einmal zutage zu treten.
    Dem kleinen Bennet schien die Abwesenheit des Vaters gar nicht aufzufallen. Er hatte seine gesamte Aufmerksamkeit und Zuneigung auf die einzige Person gerichtet, die in seinem Leben schon immer eine wichtige Rolle gespielt hatte, seinen älteren Bruder Marcus.
    Marcus schob die Erinnerungen beiseite und beobachtete, wie Bennet zum Frühstückstisch gewandert kam.
    »Harry und ich fingen an, uns in Schottland zu langweilen«, war alles, was er an Erklärung bot. »Also haben wir beschlossen, die Saison in London zu verbringen.«
    »Ich verstehe.« Marcus strich Marmelade auf eine Scheibe Toast. »Ich dachte, du wärst der Ansicht, daß die Ballsaison so ziemlich das Langweiligste ist, was es gibt.«
    »Tja, nun, das war letztes Jahr.«
    »Natürlich.«
    Letztes Jahr war Bennet kaum neunzehn gewesen. Er war gerade aus Oxford zurückgekehrt, ein junger Mann voller Begeisterung für Politik und Poesie. Die frivolen Feste der besseren Gesellschaft hatte er verachtet. Marcus hatte ihn in einen Club eingeführt, in dem es zahlreiche andere junge Männer gab, die ebenso leidenschaftlich für die neuesten Dichter und die jüngsten politischen Theorien schwärmten, und Bennet schien sich dort außerordentlich wohl zu fühlen.
    Marcus hatte sich insgeheim gefreut, daß sein Bruder nicht zu der Gruppe junger Männer gehörte, die sich von den oberflächlichen Vergnügungen der besseren Gesellschaft blenden ließen.
    Oxford hatte ihm gutgetan.
    Marcus hatte Bennet nicht zum Zweck einer akademischen Ausbildung dorthin geschickt. Er hatte immer dafür gesorgt, daß sein Bruder zu Hause von zwei hervorragenden Hauslehrern unterrichtet wurde und daß ihm die riesige, heimische Bibliothek jederzeit offenstand.
    Ein junger Mann ging nicht nach Cambridge oder Oxford, um dort zu studieren. Er war dort, um die Regeln des gesellschaftlichen Umgangs zu lernen und andere junge Männer kennenzulernen, mit denen er es später geschäftlich zu tun haben würde. Er war dort, um Freundschaften mit den Sprößlingen der besten Familien zu schließen, Familien, die ihn eines Tages mit einer standesgemäßen Frau versorgen würden.
    Marcus war entschlossen gewesen, dafür zu sorgen, daß sein Bruder nicht wie er ein naiver, ungehobelter kleiner Gutsbesitzer werden würde, der außer seinem Bauernhof nichts kannte.
    Marcus hatte einen hohen Preis für seinen eigenen Mangel an Weltgewandtheit bezahlt. Er wollte nicht, daß es Bennet genauso erging. Ein Mann mußte seine Illusionen und Träume so schnell wie möglich loswerden, wenn er ihnen nicht zum Opfer fallen wollte.
    Marcus biß herzhaft in seinen Toast. »Wo warst du gestern abend ?«
    »Harry und ich waren in unserem Club«, sagte Bennet unbestimmt. »Dann schlug

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