Verhext
daß dir jemand weh tut.«
»Dafür ist es zu spät. Ich bin fest entschlossen, dieses großartige Abenteuer in vollen Zügen zu genießen, Amelia. Eine solche Gelegenheit wird sich mir nie wieder bieten. Masters ist einfach einzigartig.«
Marcus nickte höflich, als er Hannah und ihren Mann abends im Foyer des Theaters sah. Sands starrte ihn an, erwiderte steif den Gruß und wandte sich dann demonstrativ jemand anders zu. Ohne Marcus offen zu schneiden, machte er auf diese Weise deutlich, was er von ihm hielt.
Hannah bedachte Marcus mit einem nervösen Lächeln. In ihren Augen lag ein Ausdruck der Verzweiflung.
Die glitzernde Schar der Theaterbesucher bot Marcus die Gelegenheit, Hannah ein paar wichtige Sekunden lang sehr nahe zu kommen, ohne Sands’ Verdacht zu wecken.
»Es ist vorbei«, flüsterte er, als er an Hannah vorbeistreifte. »Mrs. Wycherley war die Erpresserin. Sie ist tot.«
Hannah sah ihn fragend an. »Ich habe die Neuigkeit heute morgen in der Zeitung gelesen, und ich habe mich gefragt, was passiert ist.« Plötzlich riß sie entsetzt die Augen auf. »Marcus, du hast doch nicht etwa -«
»Nein. Ich glaube, eins ihrer anderen Opfer hat es getan.«
»Gütiger Himmel.«
»Komm, meine Liebe.« Sands nahm ihren Arm. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als er bemerkte, daß Marcus hinter seiner Frau in der Menge untertauchte. »Ich werde dir ein Glas Limonade holen.«
Marcus tat, als bemerke er nicht, daß Hannah von ihm fortgelotst wurde. Er bedauerte die Feindseligkeit, die Sands ihm gegenüber an den Tag legte, aber im Grunde konnte er dem Mann seinen Argwohn nicht verübeln. Schließlich wachte er selbst in letzter Zeit ähnlich eifersüchtig über Iphiginia.
Er ging durch das Foyer und stieg die mit einem roten Teppich ausgelegte Treppe hinauf. Im Gang hinter der ersten Logenreihe herrschte fast ebensolches Gedränge wie im Foyer.
Gentlemen eilten hin und her, um ihren Begleiterinnen Erfrischungen zu holen. Andere schlenderten in die Eingangshalle, um mit ihren Freunden Gerüchte auszutauschen oder um die Theater-besucher in der Nachbarloge zu besuchen. Eine Handvoll junger Burschen drängte sich an Marcus vorbei. Offensichtlich waren sie unterwegs zu den eleganten Kurtisanen, die ihre Dienste in ein paar der teuersten Logen anboten.
Marcus nickte ein paar Bekannten zu, während er den Korridor hinunterging. Als er die letzte Loge erreicht hatte, schob er den schweren Vorhang beiseite und trat ein.
Dorchester, seine scharfsichtige Frau und die liebliche Juliana wandten sich erstaunt zu ihm um.
»Guten Abend«, sagte Marcus. »Und, gefällt Ihnen die Aufführung?«
Dorchesters Erstaunen wandelte sich in Argwohn. »Masters. Ich wußte gar nicht, daß Sie heute abend hier sind.«
»Mylord. Wie schön, Sie zu sehen.« Beatrice Dorchester hätte offenbar nicht überraschter sein können, wenn ein Geist in ihrer Loge aufgetaucht wäre. »Juliana, bitte begrüße seine Lordschaft, wie es sich gehört.«
Juliana sprang wie von der Tarantel gestochen auf.
»Mylord.«
»Mrs. Dorchester, Miss Juliana.« Marcus musterte die beiden Frauen flüchtig. »Sie beide sehen heute abend entzückend aus.«
»Danke, Mylord.« Mrs. Dorchester verspürte ob seiner Höflichkeit eine fast schmerzliche Erleichterung. »Wollen Sie sich nicht einen Augenblick zu uns gesellen? Bitte, nehmen Sie doch neben Juliana Platz.«
»Danke. Ich glaube, das tue ich.«
Er setzte sich vorsichtig auf einen der zerbrechlichen kleinen Stühle. Das Möbelstück ächzte, aber es brach nicht zusammen. »Ich finde, Kean spielt heute abend hervorragend.«
»Ja, tatsächlich. Der Mann kann wirklich etwas, wenn er genug getrunken hat«, sagte Dorchester mit gespieltem herzlichen Humor.
»Das ist auch besser so, denn schließlich heißt es, er sei fast immer voll wie eine Haubitze«, pflichtete Marcus ihm bei.
»Ja, nun, Sie wissen ja, wie diese Schauspieler sind«, murmelte Dorchester. »Höchst labil.«
»Da sind sie nicht die einzigen.« Marcus sah sich in dem riesigen Theater um. Er ignorierte das überfüllte Parkett und die Balkone und konzentrierte sich ganz auf die Logen. Er entdeckte Iphiginia sofort.
In ihrem klassischen, schlichten weißen Kleid hob sie sich deutlich von ihrer Umgebung ab. Weiße Federn wippten elegant in ihrem Haar, das in der Mitte geteilt und über ihren Ohren ordentlich zusammengerollt war. An ihrem Hals funkelte eine Kristallkette.
Sie war nicht allein in der Loge. Zu ihrer Linken
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