Verhext
saß Amelia. Während Marcus hinübersah, wurde der Vorhang hinter den beiden Frauen auseinandergeschoben. Herbert Hoyt trat ein, elegant wie immer in einem blauen Frack, einer Weste im Paisleymuster und Hose mit Bügelfalte. In jeder seiner behandschuhten Hände hielt er ein Glas Limonade.
Mrs. Dorchester setzte mit der Lebendigkeit eines mechanischen Spielzeugs zur Konversation an. »Herrliches Wetter heute, nicht wahr, Mylord?«
»Ja«, sagte Marcus.
»Juliana und ich sind heute nachmittag im Park spazierengefahren, nicht wahr, Juliana?« fuhr Mrs. Dorchester mit grimmiger Entschlossenheit fort.
»Ja, Mama.« Juliana umklammerte ihren Fächer, als fürchte sie, daß Marcus die Hand ausstrecken und ihn ihr entreißen könnte. »Es war sehr nett.« Sie begann zu strahlen. »Wir haben Ihren Bruder getroffen, Sir.«
»Ach ja?«
Marcus’ Ton ließ Juliana zusammenfahren. Mrs. Dorchester warf ihrem Mann einen flehenden Blick zu.
Dorchester versuchte mannhaft, seinen Teil der Konversationslast zu tragen. »Ich hoffe, es geht Ihnen gut, Sir?«
»Sehr gut«, sagte Marcus.
»Hervorragend, hervorragend«, sagte Dorchester mit gespielter Begeisterung. »Freut mich zu hören.«
Marcus beobachtete, wie Iphiginia an dem Glas nippte, das Hoyt ihr gereicht hatte. »In der Tat fühle ich mich so gut, daß ich beschlossen habe zu heiraten.«
Verblüfftes Schweigen.
Dorchester rang nach Luft. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er den Mund wieder zuklappte. »Ich dachte, Sie wären fest entschlossen, nicht noch einmal zu heiraten, Sir. Es heißt, das sei einer Ihrer ehernen Grundsätze oder so.«
»Ich habe es mir anders überlegt«, erklärte Marcus. »Eine Freundin hat mich davon überzeugt, daß manche Regeln dazu da sind, um gebrochen zu werden.«
»Ich verstehe.« Dorchester riß sich zusammen. »Nun denn. Meinen Glückwunsch. Ich sage Ihnen, diese Neuigkeit wird wie eine Bombe einschlagen.«
Juliana blickte kurz ihre Eltern an, und dann wandte sie sich mit einem strahlenden Lächeln an Marcus. »Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute für Ihre Ehe, Sir.«
Marcus zog eine Braue hoch. »Danke, Miss Dorchester.«
Mrs. Dorchester kniff ihre kleinen Schweinsäuglein zusammen. »Und wann werden Sie Ihre Verlobung bekanntgeben, Mylord?«
»Sehr bald«, versicherte ihr Marcus.
Dorchester runzelte die Stirn. »Und wer ist die Glückliche, wenn man fragen darf?«
»Das darf ich leider noch nicht verraten. Es gibt vorher noch ein paar Dinge zu erledigen. Verträge und so. Sie verstehen.«
»Natürlich«, sagte Dorchester schwach. »Verträge. Das ist sehr wichtig.«
»Allerdings.« Marcus erhob sich. »Bitte entschuldigen Sie mich. Ich muß los. In letzter Zeit bin ich immer sehr beschäftigt. Wie ich festgestellt habe, sind Hochzeitsvorbereitungen mit sehr viel Arbeit verbunden.« »Ach ja?« Mrs. Dorchester kniff die Augen noch mehr zusammen.
»Allerdings«, sagte Marcus. »Man muß zum Beispiel sein Testa- i ment vollkommen umschreiben, wenn man seine zukünftige Frau und die zu erwartenden Nachkommen versorgt wissen will.«
»Nachkommen?« erwiderte Mrs. Dorchester tonlos.
»Man muß schließlich seine Pflicht erfüllen, wenn man einen Titel hat«, erläuterte Marcus. »Und dann muß man auch die Einkünfte der anderen Familienmitglieder entsprechend anpassen.«
»Auf welche Art?« fragte Mrs. Dorchester eilig.
»Man muß sie natürlich verringern«, sagte Marcus. »Das Familienvermögen muß in den Händen meines Erben konzentriert werden, um es zu schützen und zu erhalten.«
»Ich dachte, Ihr Bruder sei Ihr Erbe, Sir«, entfuhr es Dorchester.
»Ja, nun, das wird sich mit meiner Eheschließung ändern, nicht wahr? Mit etwas Glück werde ich einen Sohn bekommen, der dann den Titel und das Vermögen erbt.«
Mrs. Dorchester war ehrlich erschüttert. »Ich verstehe.«
»Mein Bruder wird natürlich weiterhin sein Auskommen haben. Wie immer.« Marcus schob den Vorhang beiseite und verließ die Loge. Mit einem Lächeln wandte er sich noch einmal um. »Es sei denn, er heiratet gegen meinen Willen.«
»Wie bitte?« Dorchester wirkte getroffen.
»Ich bin der Überzeugung, daß Bennet um seiner Zukunft willen eine reiche Erbin finden muß. Schließlich muß er an die Zukunft seiner eigenen Kinder denken.«
»Kinder?« Dorchester war ehrlich verwirrt.
»Darauf läuft es doch immer hinaus, nicht wahr?« Marcus trat auf den Gang hinaus, und der schwere Vorhang schloß sich hinter ihm.
Er ging den gewundenen
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