Verico Target
hat das
nie verstanden.« Er deutete mit der Flasche auf Saralinda, aber
in seiner Stimme lag keinerlei Vorwurf, nur Bedauern und
Zärtlichkeit. Er goß ein Glas voll, trank es aus und
goß es noch mal voll.
Wenn er sich richtiggehend betrank, bestand die Möglichkeit,
daß sie einfach zur Tür hinausspazieren konnte…
»Was Sie sagen, ist ganz gewiß richtig, Mister Botts.
Viele Menschen verstehen nicht, daß Alkohol durchaus auch
medizinischen Wert besitzt. Er kann hilfreich sein bei unserer
Verdauung und sogar die Lungenkapazität erhöhen.«
Sie war zu weit gegangen, hatte einfach das gesagt, was ihr gerade
in den Sinn gekommen war. Aus Angst, aus Panik. Und nun sah Botts sie
mißtrauisch an; sie durfte ihn nicht unterschätzen.
»Das habe ich noch nie gehört.«
»Nun, das alles ist erst in der klinischen Testphase. Aber
ich habe Sie vorhin unterbrochen. Sie wollten mir gerade
erzählen, wie Sie und Saralinda einander kennengelernt
haben.«
Sein Gesichtsausdruck glättete sich tatsächlich.
»Das war in ’ner Bar. Lange bevor die Sache mit diesen
Streitern anlief. Nicht, daß Saralinda zu den Mädels
gehört hätte, die in Bars rumhängen, das war sie nie,
aber ein paar Freundinnen hatten sie damals überredet,
mitzukommen. Und ich und meine Freunde, wir hatten Urlaub. Und als
ich sie an dem Abend dort sah, wie sie in der Ecke stand, so zierlich
und still und damenhaft mitten unter den anderen Schlampen, da dachte
ich, das ist das Mädchen, was ich mal heiraten werde.«
Sie hatte richtig getippt: Er redete gern. »Ich wette, Sie
können sich sogar daran erinnern, was sie anhatte.«
»Blue Jeans und eine weiße Rüschenbluse mit einer
rosa Schleife. Ihr Haar war lang und glänzte, so wie jetzt immer
noch.«
Judy wandte den Blick ab, als er zum Bett hinsah. Er bestand aus
einem Haufen Widersprüche. Dieser Mann war derselbe, der in die
Siedlung einer religiösen Sekte eingedrungen war und dort
herumgeschossen hatte; nur Gott allein wußte, wie viele
Menschen dabei ums Leben gekommen waren!
Er leerte sein Glas und goß sich ein drittes ein. »Und
das ist es – ich hab nie aufgehört, sie genauso zu lieben
wie in der ersten Nacht. Genauso. Bloß sie konnte das einfach
nicht glauben. Klar, wir hatten auch unsere schlimmen Zeiten, wer hat
die nicht? Aber irgendwas hielt Saralinda davon ab, zu glauben,
daß ich sie wirklich liebte und uns beisammenhalten wollte,
egal, was alles vorgefallen war. Mir kam vor, sie würde meinen,
sie verdient es nicht, geliebt zu werden und glücklich zu
sein.
Wie damals, als ich noch bei den Marines war, und Grady und ich
Heimaturlaub hatten. Saralinda, die mochte Grady nicht. Penny war
damals erst ein paar Monate alt, und Saralinda hatte grade Eimer
Connors kennengelernt, der wo uns dann zu den Streitern brachte. Aber
erst später. An dem Freitagabend wollten Grady und ich ausgehen
und Saralinda mitnehmen. Ich hatte sogar einen Babysitter
aufgetrieben, die Tochter von ’nem Freund von mir. Aber
Saralinda wollte nicht mitkommen. Penny war nicht krank oder irgend
was, weil dann wäre ich ja auch nicht gegangen, nein, das Baby
war wohlauf. Aber Saralinda sagte, Penny wäre noch zu klein, um
sie mit ’ner Fremden alleinzulassen, und wollte um nichts in der
Welt mitkommen. Sie dachte, sie würde es nicht verdienen, mal
Spaß zu haben. Grady sagte das.«
Seine Miene verfinsterte sich, aber er trank sein drittes Glas
nicht aus.
»Na ja, und als wir nach Hause kamen, da hat sich Grady ein
wenig danebenbenommen. Geb ich ja zu. Wie ich schon sagte, die
Babysitterin war ein junges Mädel, und ’n süßer
Käfer noch dazu, und Grady hatte genug geladen, um sein
Glück bei ihr zu versuchen. Hat sie ’n bißchen
erschreckt. Nichts Ernstes. Aber Saralinda tat beinahe so, als
hätten wir ’ne Vergewaltigung in der Wohnung. Schrie Grady
an und setzte nicht nur die Babysitterin ins Auto, sondern auch
Penny, und fuhr für zwei Tage zu einer Freundin.
Ich sage Ihnen, am nächsten Morgen verlor ich fast den
Verstand. Ich nahm Gradys Wagen und fuhr kreuz und quer durch die
Gegend und suchte nach ihr. Als ich sie fand, bat ich sie
zurückzukommen. Auf den Knien! Ehrlich, auf den Knien. Warf
sogar Grady raus, den besten Freund, den ich je hatte… also was
für Geschichten ich Ihnen erzählen könnte über
mich und Grady und Charlie… klar kam Grady später wieder.
Mußte er ja, wir drei waren doch echte Kumpels. Aber ich hab
Grady wegen Saralinda rausgeschmissen, und von dem Tag an hat
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