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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Betracht ziehen!«
    »Aber das hier ist nicht unbedingt das Angebot eines
renommierten Forschungszentrums, und darüber
hinaus…«
    »Jedes wichtige Forschungszentrum war irgendwann mal
unbekannt…«
    »… darüber hinaus klingst du wie eine Nutte,
wenn du sagst, du würdest jedes angemessene Angebot in Betracht
ziehen!«
    »Hör auf, mir deine mittelalterlichen
Sündenbegriffe anzuhängen!« rief Ben wütend.
»Das ist wieder einmal deine erzkatholische Erziehung, die dir
jegliches Urteilsvermögen vernebelt!«
    »Meine erzkatholische Erziehung gehörte doch angeblich
einmal zu den Dingen, die du an mir liebtest! Erinnerst du dich? Das
stabile Familienleben, dieser spirituelle Mittelpunkt, um den sich
alles dreht, die lebenslange Ehe…«
    »Wie ich sagte, manche Dinge ändern sich«, fuhr Ben
kalt dazwischen.
    Judy antwortete nicht. Ben stapfte aus dem Zimmer.
    Als sie gegen fünf Uhr früh endlich einschlief, war Ben
immer noch nicht zurückgekommen. Der Wagen vom Zimmerservice
stand unberührt da, und das Fett auf den Steaks war schon lange
zu kalten, glitschigen Striemen erstarrt, deren Farbe an Maden
erinnerte.

Wendell
Botts stand am elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun des Anwesens der
›Streiter des göttlichen Bundes‹ und flüsterte
ein Gebet.
    Das Gebet war ein Versehen – er wußte nicht, daß
er es sprechen würde, bis es zu spät und das Gebet
heraußen war. Wendell machte ein finsteres Gesicht und spuckte
auf den Boden. Seine Gebetstage waren ein für allemal vorbei,
daran gab’s nichts zu rütteln. Er hatte gebetet und
gebetet, und wo, zum Geier, hatte ihn das hingeführt? Hierher,
an die Außenseite der Siedlung, wo er auf einen Haufen
Stacheldraht starrte, der mit doppelten 110-Volt-Drähten
durchsetzt war.
    Nicht, daß ihn der Drahtzaun damals gestört hätte,
als er noch drinnen und selbst einer von den Streitern gewesen war.
Als er sechsmal die Woche zur Bibelstunde gegangen war, bei der Messe
gesungen, im Speisesaal mitgeholfen und sich jeden Abend mit
Saralinda und Penny hingekniet und gebetet hatte. Damals war ihm der
viele Draht als etwas Nützliches erschienen, weil er allen
drinnen Sicherheit gab, weil er sie schützte auf dem heiligen
Boden, weit weg von den Verlockungen und dem Elend und den
Sünden der Welt. Er hatte das alles wirklich geglaubt, die Sache
mit den Sünden und alles übrige, blöder Narr, der er
gewesen war. Er hatte wirklich daran geglaubt! Und damit auch an den
Drahtverhau rund um das Gelände in den Ausläufern der
Adirondack Mountains, wo das Land zu steinig für den Ackerbau
war und zu abgelegen für Arbeitsplätze und einfach zu
armselig, um irgend jemanden zu interessieren – außer eben
jene Sorte religiöser Fanatiker, die gewillt waren, ihren Wahn
nach Cadillac, New York, zu verfrachten.
    Cadillac! Dieser elende Winkel war nicht mal ein rostiger
Corolla.
    Zwei Männer öffneten das eiserne Tor, das in zwei hohen
gemauerten Säulen verankert war. Das Tor war massiv, aber von
unansehnlichem Äußeren, genau wie die beiden Männer
in der dunklen Arbeitskleidung, welche die Streiter des
göttlichen Bundes an Werktagen bevorzugten. Auf den Brusttaschen
ihrer Hemden befand sich ein handgesticktes B aus roter Seide.
Abschätzend betrachtete Wendell die Männer. Beide über
einsachtzig groß und jeweils 195, 200 Pfund schwer, nicht viel
davon Fett. Aber Wendell war bei den Marines gewesen, und im
Gefängnis hatte er täglich stundenlang Gewichte gehoben und
er trainierte immer noch regelmäßig.
    »Saralinda will dich nicht sehen, Wendell«, sagte der
größere der beiden. Wendell kannte ihn nicht; zu seiner
Zeit als Streiter des göttlichen Bundes war der Mann noch nicht
hier gewesen.
    »Sag ihr, sie muß mit mir zusammentreffen! Sag ihr,
daß ich ein Recht habe, meine Frau und meine Kinder zu
sehen!«
    »Das sagte ich ihr schon, Wendell. Sie sagte nein.«
    Er spürte, wie er in Wut geriet, wie der Druck sich in ihm
aufbaute, und er bemühte sich, ruhig zu bleiben. Er durfte nicht
wieder die Beherrschung verlieren. Dann würde Saralinda nie
rauskommen.
    »Sag ihr, daß ich sie darum bitte, daß es
wirklich wichtig ist für mich, und daß ich…«
    »Sie sagte nein!«
    Was dachte der Kerl eigentlich, wer er war? Wendell preßte
die Hände flach an die Hosenbeine seiner Jeans, um zu vermeiden,
daß sie sich zu Fäusten ballten. Hinter den beiden
Männern konnte er die Gebäude der Siedlung in der Sonne
dörren sehen: flach, niedrig, unscheinbar. Bemalt mit

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