Verico Target
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Straßen zu überqueren in Richtung Soz. 101.
Wendell
Botts zog den linken Handschuh aus, biß auf den Zeigefinger und
warf den Kopf zurück. Sein rechter Arm umschloß eine
Anzahl dünner Plastiktüten voller Lebensmittel, die jeden
Moment aufzuplatzen drohten. Die verdammten Konservendosen waren
daran schuld – zu schwer für die Tüten, und die Weiber
an den Supermarktkassen gaben natürlich nicht genug Tüten
her, so daß man eine in die andere stecken konnte. Wäre
wohl zuviel verlangt. Kein Mensch kümmerte sich mehr um seinen
Nächsten. Niemand behandelte seinen Nächsten mit
Respekt.
Mit der freien Hand fummelte er in der Jackentasche nach den
Wagenschlüsseln. Indem er die Einkaufstüten zwischen sich
und dem rechten Kotflügel einzwängte, bekam er gerade
soviel Bewegungsfreiheit, um aufsperren zu können. Dann schob er
die Tüten am Kotflügel entlang und verstaute sie auf dem
Boden vor dem Beifahrersitz.
Es schneite schon wieder. Erst Mitte November und schon lag der
Schnee dreißig Zentimeter hoch. Kein guter Schnee –
bloß das schwere nasse Zeug, das grade ein wenig zu kalt war,
um zu schmelzen, und grade ein wenig zu warm, urn zu knirschen. Der
Parkplatz vor dem Grand Union-Bahnhof von Cadillac bestand nur aus
schmutzig schwarzen Reifenspuren zwischen steinharten Schneehaufen,
die nicht mal ein Vierradantrieb schaffte. Der Himmel war grau und
hing etwa eine Armlänge über den Bäumen. Wendell hatte
das Bedürfnis, etwas gegen eine Wand zu werfen.
Das verdammte Gericht sagte, daß Penny und David über
Thanksgiving bei Saralinda bleiben sollten.
Wendell drehte den Zündschlüssel. Der Laster spuckte und
starb ab. Er probierte es noch mal. Beim dritten Versuch sprang der
Motor an, keuchend und stotternd. Vielleicht sollte er den Laster mal
zum Service bringen. Aber vielleicht ging es auch noch eine Weile mit
einer Dose Starterspray.
In seinem schäbigen Motelzimmer räumte er die
Einkäufe weg: ein Dutzend tiefgekühlte Hamburger, zwei
Packungen Hamburgerbrötchen, ein paar Büchsen Bohnen,
Chili, Suppe, Eintopf, Erdnußbutter, Ravioli und eine Schachtel
Cornflakes. Die Kinder würden dieses Wochenende nicht kommen,
und so hatte er keine Äpfel und frisches Gemüse gekauft,
auf dem Saralinda eisern bestand.
Zuunterst in einer der Tüten – das Miststück an der
Kasse hatte es tatsächlich zuunterst hineingeschmissen! –
lag das Cadillac Register, das nicht nur die Neuigkeiten von
Cadillac, sondern aus all den kleinen Orten westlich von Gloversville
enthielt. Wendell entfaltete die Zeitung und schlug die Seite mit den
Todesanzeigen auf. Seine Hände zitterten.
Harden Muriel. 17. November. Es trauern um sie ihr Gatte Alfred
und ihre Kinder Michael, John, Roberta (Mrs. Samuel Stern) und
Pauline (Mrs. Douglas O’Shea), alle wohnhaft in Cadillac.
Nein. Niemand mit einer so großen hier ansässigen
Familie. Die Streiter des göttlichen Bundes kamen alle von
außerhalb und nicht aus großen Familien.
Montilla Raymond. 18. November, im Alter von 82 Jahren. Witwer
nach seiner Frau Theresa Skoler-Montilla. Es trauern um ihn seine
Nichte Mildred Stamps-Burton und sein Neffe George Stamps, sowie
seine Großnichten und Großneffen. Gedenkmesse um 10 Uhr
am Samstag in der Kirche Unserer Schmerzhaften Mutter Gottes.
Nein. Niemand von den Streitern würde die Messe in der
katholischen Kirche abhalten lassen. Bei denen las man eigene Messen
in einem »pureren« katholischen Geist, mit einer Menge
Zutaten, wie ekstatischen Reden, Gebeten zum Hl. Cadoc und
Reinigungsritualen, die alle miteinander viel gottgefälliger
machen sollten.
Diffenbach Brittany. Im Alter von sechs Jahren…
Mein Gott. Sechs Jahre alt. Das Papier unter Wendells Fingern
fühlte sich klamm an.
Diffenbach Brittany. Im Alter von sechs Jahren, am 18. November.
Es trauern um sie ihre Eltern, William und Cynthia Diffenbach, ihr
Bruder Timothy, ihre Großeltern väterlicherseits, Titus
und Alice Diffenbach aus Arnes, Iowa, und ihre Großmutter
mütterlicherseits, Beverly Miller aus New York City; sowie ihre
Tanten, Onkel und Cousins. Anstelle von Blumenspenden wird gebeten,
den entsprechenden Betrag an das Forschungsinstitut für Krebs im
Kindesalter…
Nein. Gott sei Dank, nein. Irgendeine Art von Krebs. Nicht die
Streiter.
Morreale Ramon. Völlig unerwartet am 19. November. Es trauert
um ihn sein Bruder Carlos De Los Santos in Puerto Rico.
Privatbeerdigung.
Das war es! Plötzlicher
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