Verirrt in den Zeiten
und arquebusieren. Soll das Gottes Wille sein, daß
man sein Wort mit Mord und Brand verkünden tut?«
»Stille. Bleibt bei Eurer Palette. In die Welthändel mengt
Euch nicht. Es geht um die reine Lehr und um des Glaubens
Freiheit und um die teutsche Libertät. Diese heiligen Güter
sind kostbarer denn Menschenleben. So die errungen sind,
dann war’s nicht schade, daß viele hunderttausend Menschen
starben.«
»Dasselbe sagt auch kaiserliche Majestät und die Ligisten.
Nein, ich versteh’ es nicht.«
Was war denn das? . . .
Ach, nun begriff ich. Ein Theaterstück. Daher auch die
Verkleidung des Frauenzimmers, welchem ich begegnete.
Ich trat ganz nah heran, so daß ich durch die offene Tür
den Saal zur Gänze überblicken konnte.
Er war nicht mehr leer, sondern prächtig eingerichtet mit
altem kostbarem Hausrat. Manches Stück erkannte ich wieder:
die schweren Armleuchter, eine reichgeschnitzte Truhe,
den Schrank mit köstlich eingelegter Arbeit. Das alles war
aufs feinste abgestimmt zu dem Theaterstücke, das sie da am
hellen Tag agierten. Offen gesagt, das langweilige Stück war
dieses prächtigen Szenariums gar nicht wert.
In der Nähe des Erkerfensters stand eine große Staffelei,
welche die beiden Darsteller vor mir verbarg. Ich sah von
ihnen nur die Beine. Die waren wiederum, streng stilgerecht,
bekleidet mit Pluderhosen, am Knie mit breiter Masche abgebunden,
mit Schnallenschuhen und mit Strümpfen. Der eine
machte sich an der Staffelei zu schaffen, der andere saß im Erker,
dessen Fenster nach alter Art mit bunt bemalten Scheiben
reich geschmückt waren.
Durch das eine Fenster, welches offenstand, fiel in breitem
Strom das Licht und brach sich an der Staffelei und tauchte
die Stäubchen, die da schwebten, in einen Fluß flüssigen Goldes,
indes sich von dem andern Fenster die vielfarbigen Reflexe
in den geheimnisvollen Falten eines Vorhanges fingen.
Dies köstliche Zusammenspiel der Lichter und der Farben aufdem alten dunklen Hausrat; der sanfte Lärm, der von der
Straße drang, all dies erzeugte eine Stimmung berückender
Traulichkeit, und in mir weckte es sehnsüchtig traumhaftes
Erinnern.
Das Gespräch stockte. Der an der Staffelei führte Striche
mit dem Pinsel oder tat zumindest so. Dann hub er wieder an:
»Aber ich vermeine, der Krieg wird nimmer lange währen. Als
ich durch das Veltlin reiste, gesellte sich ein Fourier des Herzogs
von Nevers zu mir — er war im Jahre dreißig bei Casale
gestanden —, und der erzählte, Frankreich, das wegen der
Erbfolge im Mantuanischen mit dem Kaiser schon im offnen
Kriege steht, habe auch einen Geheimvertrag mit dem Könige
von Schweden abgeschlossen zur Restitution der unterdrückten
Stände und zahle ihm gewaltige Subsidien. Kursachsen
steht nun auch seit Jahr und Tag auf seiner Seite, Brandenburg
gewährt ihm freien Paß: ganz Teutschland fast, von
Stralsund bis München, liegt zu Füßen Gustavi Adolfi. Der
Weg in des Kaisers Erblande steht ihm offen . . . Eine alte
Prophezeiung sagt: Es wird ein Löwe sich aus Mitternacht erheben
und dem Pfauen seine bunten Federn rupfen. Dann
wird des teutschen Reiches Not ein Ende haben.«
»Tycho de Brahe, der Hofastrologus Rudolfs des Andern,
hat anno zweiundsiebzig, als der Komet erschien, geweissagt,
ein Held im Norden wird Rache nehmen für die Bartholomäusnacht
— die war ja zweiundsiebzig — und wird nach
zweimal dreißig Jahren untergehn. Man sagt, das gehe auf
den Schwedenkönig. Wenn’s stimmt, was Gott nicht wolle,
dann wäre seine Zeit bald um. Auch hat der Wallenstein dem
Kaiser wieder eine Armada angeworben. Nun werden sich ja
bald die Kräfte aneinander messen. Die ganze Welt sieht zu
und wartet.«
»Auch spricht man von seltsamen Wunderzeichen, die
mächtige Entscheidung vorbedeuten. Zu Wollgast, während
der Belagerung der Feste, sah man in den Wolken einen Löwen
und einen Adler streitend.«
»Ist richtig. Stundenlang war’s sichtbar. Und daß ichEuch’s sage, zu Donauwörth, vor wenigen Tagen, da hat man
Ahasverum, den Ewigen Juden, mitten auf dem Markt gesehn.«
Nun konnte ich mich nicht enthalten und trat aus dem Versteck
hervor.
Bestürztes Schweigen herrschte. Nur der an der Staffelei
murmelte: »Das dritte Wunderzeichen.«
Zweiundzwanzigstes Kapitel
N un konnte ich ihn sehen. Seine Schönheit war ergreifend.
Die schmale, edle Stirn, das liebliche Oval des Angesichtes
war umrahmt von blonden Locken. Dunkle Augen leuchteten
in schwärmerischem Glanze, und den sanften,
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