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Verirrt in den Zeiten

Verirrt in den Zeiten

Titel: Verirrt in den Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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den Flammenreigen meiner altgewohnten
Träume.
Achtzehntes Kapitel
    U nd nun verhüllen wieder Nebel meinen Blick. Nebel steigen
aus den Schlünden jener Tage letzten Ringens, wie im Nebel
wogt mir die Erscheinung meines unbekannten Helfers.
    Er war kein milder Gläubiger. Immer wieder war er da,
plötzlich, wie aus der Erde aufgeschossen und doch wie von
weiter Ferne hergeweht, und drängte und fragte nach dem
Fortgang.
    Endlich sagte ich, in berechtigter Entrüstung: »Nicht Sie,
ich könnte die Geduld verlieren. Sie sehen doch, wie ich mich
plage und wie mich die Arbeit schier verzehrt. Wo bleibt da
die Barmherzigkeit? Ist dieses fortwährende Mahnen christlich?«
    »Barmherzigkeit! Wer ist mit mir barmherzig? Nein, nicht
christlich, jüdisch; nicht Barmherzigkeit, Vertrag. Ihr seid mir
durch das Geld verbunden, durch Vertrag verpflichtet. Auf
dem Rechte des Vertrags bestehn, das ist Art der Juden.«
    Ein andres Bild taucht aus der Dämmerung. Ein Frühlingsabend.
    Er stand am Fenster und die letzten Sonnenstrahlen umspielten
seine Locken und milderten die düstre Wildheit in
Schwermut, ehrfurchtgebietend.
    Während er gierigen Blicks und stumm die Werkzeuge und
die Modelle musterte, da fragte ich mich, was ihn wohl zu
solch begieriger Teilnahme vermöge. Seine Hilfe — das hatte
ich erkannt — galt nicht dem Schöpfer, sondern seinem Werk.
Denn Mitleid war diesem Manne fremd; er kannte wirklich
weder Furcht noch Hoffnung oder Mitleid.
    Wenn’s also nur das Werk war, warum dann diese leidenschaftliche
Erwartung? Ein Unternehmer, dem es um Gewinn
ging, war er nicht, der Einsame, der wie in einem Zauberkreise
unerforschlicher Geheimnisse dahinzog, entrückt den
Zeiten und den Menschen. Ein Förderer der Wissenschaft? Er
schien mir nicht gelehrt, und wenn er auch gar manches wußte
von fernen Völkern und aus vielen Zeiten — ich weiß nicht,wie es kam, ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren,
daß diese Wissenschaft erlebt sei, nicht erlernt.
    Indes ich ihn betrachtete, schweigend und ernst, formten
sich, mir selbst halb unbewußt, die widerstreitenden Gedanken
zur lauten ausgesprochnen Frage.
    Und ihm entfuhr es mit einem Seufzer, gleich einem Sturmwind
ungeheurer Sehnsucht: »Ach, wenn ich es erst hätte,
dies Ding, dies Unding! Dann fort, fort bis ans Ende aller
Zeiten!«
Neunzehntes Kapitel
    S o kam der 25. April des Jahres 1906. Dunkel ist mir in Erinnerung,
daß ich mit dem Fremden in Streit geriet. Er verlangte,
daß ich ihn die Maschine allein erproben lasse. Ich
weigerte mich dessen.
    Warum ich’s tat, weiß ich jetzt selber nicht. War’s die Erinnerung
an seine letzten unbedachten Worte, also die Furcht,
er könnte die Maschine rauben; vielleicht der Groll, den das
Bewußtsein der Abhängigkeit erweckte, die uneingestandene
Scheu vor seiner düstern Heimlichkeit; war es der eingefleischte
Haß des Deutschen gegen den Hebräer oder nur das
kindisch-boshafte Verlangen, diesem urweltlichen Wesen
meine Macht zu zeigen, den Juden um sein Geld zu prellen,
ihm die so sehnsüchtig erwartete Vertragserfüllung nicht einmal
vorenthalten, nein, ihn nur foppend hinzuhalten — kurzum,
ich blieb bei meiner Weigerung.
    Als er sich auf den Pakt berief, auffuhr mit wilden, bösen
Worten, wie ein Held Homers, als meine Gegengründe mich
im Stiche ließen, da sagte ich nur höhnisch-trockenen Tones:
»Ich will ruhen, Sie werden gehen.«
    Da er sich wehrte, griff ich kurz entschlossen nach dem Kabel
und schaltete ein; und durch die peinigende Kraft des
Stromes drängte ich ihn zur Tür hinaus.
    Da stand er nun. Durch eine rote Butzenscheibe fiel dieSonne und tauchte ihn in feuerfarbnen Glanz. Das zornerglühte
Antlitz hochgereckt, mit drohend aufgeschwungnen
Fäusten, so stand er da und röchelte: »Ja . . . ›Ich werde ruhen,
doch du wirst gehen‹ . . . Das waren auch die Worte
eines anderen, der mich verfluchte. So sei verdammt wie ich.
So soll dich Gott mit deinem eigenen vermessenen Werke
strafen. Wie ich im Raume friedlos irre, so mögest du dich in
der Wüstenei der Zeit verirren, heimatlos und hoffnungslos.
Und wenn ich dir ein zweites Mal erscheine, vordem erschienen
bin, werde ich dir Bote deines unseligen Endes sein!«
    So stand er da, ein Rachegeist der Vorzeit, wie ein verderbenkündender
Prophet des Alten Testaments, und schauerlich
hallt mir sein Fluchen nach.
Zwanzigstes Kapitel
    W as weiter kam, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, daß ich
die Türe meines Arbeitszimmers vor dem Fluchenden

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