Verirrt in den Zeiten
keuschen
Mund umspielte das Lächeln einer unsagbaren Hoffnung.
Ratloses Erstaunen lag in seinem Blick, der Pinsel glitt aus
seinen schlaffen Händen und malte auf die Leinwand einen
bösen Fleck. Und das Bildnis, das er schaffte, das ich vor mir
auf dieser Leinwand sah, das mir entgegenleuchtete in frischen,
feuchten Farben, es war das wohlbekannte Bildnis des
Matthäus Büttgemeisters. Nur der Gesichtsausdruck war anders:
gleichmütig und stolz. Es fehlte jener Zug bestürzten
Staunens, der dem Bilde solch geheimnisvollen Reiz verlieh.
Wie kam das Bild hieher? Woher die eigenmächtige Veränderung?
War’s eine Kopie? Das Urbild war nicht hier, das
hing ja doch seit Jahren in meiner Stube droben.
Das Urbild, nein, das Urbild — dort im Erkerfenster, zwei
Schritte vor mir, da saß Matthäus Büttgemeister. Bekleidet
mit einem Wams aus rötlichem Damast, mit einem pelzbesetzten
Überrock aus schwarzem Tuch. Wie auf dem Bilde. Und
auf seinem Antlitz malte sich bestürztes Staunen.
Lähmendes Erstaunen, grauenvolles Ahnen faßte mich.
War das ein Traum? Verfolgten meine Träume mich nun
auch bei Tage?
Aber nein. Der Sonnenstrahl, der meine Augen blendete,
die warme Luft, die mich umfloß, der Atem, der aus dem
stummen Munde dieser beiden Männer strömte, das war
nicht Traum. Es war ein Wunder, aber es war Wirklichkeit.
Tiefes Schweigen herrschte. Schweigend stand ich da und
blickte auf die beiden, schweigend blickten sie mich an,
blickte der Maler auf den Ratsherrn.
Wie der Perlenfischer, der unbeirrt durch Meereswunder
nach der Perlenmuschel greift, so faßte Konradin den Pinsel,
und mit einer haschenden Gebärde, mit einigen kühnen Strichen
pinselte er jenen Zug bestürzten Staunens auf die Leinwand.
Endlich fragte Matthäus Büttgemeister: »Wie kommt Ihr
denn hieher?«
»Aus meiner Stube komme ich.«
»Und wo ist denn Eure Stube?«
»Droben im zweiten Stock.«
»Potz Mord und Mansfeld! Potz Teufel und Tilly! Und seit
wann wollt Ihr Euer Losament da droben haben?« Er tauschte
mit dem andern einen Blick spöttischen Einverständnisses.
»Seit ich geboren bin, seit achtzehnhundertachtundsiebzig.«
»Wie sagt Ihr: achtzehnhundertachtundsiebzig?«
Halb höhnisch, halb erschreckt war seine Miene, doch er
bezwang sich und fragte eigensinnig weiter: »Und da streicht
Ihr so daher, in diesem ulkichten Habit, sonder Zehrung und
Bagaglio gleichwie ein Landstörzer?«
»Ja, wie man eben von einem Zimmer ins andre geht —
wenn Sie das durchaus nicht begreifen wollen. Übrigens sorgen
Sie sich nicht ums Geld. Ich habe Geld genug bei mir.«
Mechanisch fuhr ich in den Sack wie jemand, der sich
plötzlich auf etwas besinnt und nachsieht, ob er nichts vergessen
hat. Ein paar Goldmünzen zog ich heraus.
»Die andern muß ich wohl oben auf dem Tische liegengelassen
haben«, murmelte ich vor mich hin und wollte hinaus,
um nach den Münzen in meiner Stube zu sehen.
»Bleibt nur. Man wird sie Euch nicht vulpinieren, so sie
droben liegen. Aber weiset mir doch dies Geld hier.«
Ich zeigte ihm die Münzen. Er betrachtete sie einen Augenblick,
wog sie in der Hand. Dann sah er mich spöttisch an und
sagte: »Also mit diesen Münzen seid Ihr ausgezogen anno . . .
wie sagtet Ihr doch? Und von wem habt Ihr sie denn?«
»Nun, von jenem Juden«, erwiderte ich gedankenlos. Als
ob er wissen könnte . . .
»Ei, da hat Euch Euer Jüd vor die Reise gar fürsichtig und
ehrlich staffieret. ’s sind gute, vollwichtige Karlinen, geprägt
anno sechzehn. Gehn vierundzwanzig auf eine Kölnische
Mark . . . Da steht Ihr nun wie Matz von Dresden. Seht Ihr
nun, was Ihr vor ein loser Vogel seid? Wollt uns solchen Bären
aufbinden.«
Einen Augenblick schwieg ich betreten. Dann aber, gereizt
durch seinen Spott, entgegnete ich und achtete gar nicht des
ungeheuerlichen Widersinns, den ich da redete: »Weit eher
müßten Sie mir Rede stehen als ich Ihnen: Wie kommt denn
dieses Bild hieher, das mir gehört und das seit Jahren in meiner
Stube hängt?«
Mit offnem Munde sah er mich an, wie einen Narren, dann
brach er in ein Lachen aus, daß ihm am Wams die Troddeln
wackelten, und schlug sich auf die Schenkel.
»Bei Sankt Velten, kein schlechter Spaß. Mein Bild soll Euch gehören! Mein Bild, das noch kaum fertig ist, das soll
seit Jahren in Eurer Stube hängen!«
»Soll ich’s beweisen? Ich zeig’s Euch droben! Aber noch
besser, gleich hier. Hier, vor Jahren habe ich mir eine Photographie
des Bildes angefertigt. Hier ist sie!«
Ich
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