Verirrt in den Zeiten
leiden,
und die des Lichtes eine Fülle spenden, müssen im Dunkel
sterben. —
Nun werden sie bald kommen, mich zu holen. Ich muß das
Buch beschließen.
Simson, Philister über dir! Nein, den Riesen mögen die
Barbaren blenden, schänden werden sie ihn nicht!
Die Schätze will ich ihnen zeigen, die ich bei meinem
Häuschen vor der Stadt vergraben habe. So wähnen sie. Aber
in Wirklichkeit will ich sie vor die lauernde Dynamomaschine
locken. Ich lasse sie, sich an den Händen fassend, eine Kette
bilden, bringe die Dynamo in Gang. Mit eigner Hand entreiß’ich ihr den todbringenden Strom und jage ihn durch mich hindurch
in die geschloßne Kette meiner Peiniger. —
Wenn sie die Handschrift bei mir finden, wird sie als Hexenwerk
verbrannt. Darum versenke ich sie ins Gemäuer, und
den toten Stein beschwöre ich, daß er mein Geheimnis treu
bewahre.
Und dich, ferner Leser, den das Schicksal auserkor, mein
Geheimnis zu entdecken, beschwöre ich, daß du diese Handschrift
meiner Mutter überbringest; wenn sie aber schon verstorben
oder noch gar nicht geboren, daß du sie kundtust.
Ich grüße dich im Namen Gottes, der mich strafte.
Erasmus Büttgemeister
Nachwort
D er letzte Wunsch Erasmus Büttgemeisters ist damit erfüllt,
die Aufgabe des Berichterstatters ist beendigt. Was ich erlebte,
was ich fand, habe ich getreu erzählt. Wenn mein Fund
wertlos, wenn er kostbar, ist es nicht meine Schuld noch mein
Verdienst.
Aber das Rätsel des »Frömbden von Ansbach« ist damit
nicht gelöst, es ist erst aufgezeigt. Wie ist mein Fund zu deuten?
Wenn das Manuskript, das ich im Turme fand, die Wahrheit
erzählt — und dafür spräche der Fundort —, dann sind die
Berichte der alten Chroniken über den Fremden von Ansbach
nicht Legende, sondern er hat tatsächlich gelebt und war
Erasmus Büttgemeister.
Er erbaute zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eine
Maschine, die es ermöglicht, sich durch die Zeit hindurchzubewegen.
Während bei den ortsverändernden Fahrzeugen die
Zeit gleichsam die Konstante ist und der Raum variabel,
bleibt bei der Maschine Büttgemeisters der Ort konstant und
die Zeit wird variabel. Wenn wir die ortsverändernde MaschineAutomobil, Lokomotive nennen, können wir die zeitdurchmessende
Maschine als Tempomobil bezeichnen.
Die Eindrücke, welche man während einer Reise auf dem
Tempomobil empfängt, werden von Erasmus Büttgemeister
deutlich geschildert: »Die alte Standuhr, die den Ablauf vieler
Tage, Wochen in einen kurzen Augenblick zusammendrängt
. . ., die Bäume draußen, deren Laub die rasende Beschleunigung
des Laufs der Jahreszeiten bald frühlingsgrün,
bald purpurn herbstlich färbte . . . Erst langsam, zögernd,
nicht viel schneller, als etwa ein Fußgänger von einem Läufer
überholt wird, so daß die Viertelstundenschläge sich noch
deutlich unterscheiden ließen, dann immer rascher, immer
wilder, so daß ich viele Monate in einem Augenblick durchraste.
Und wie in einem Zuge, der dahinfährt, die Häuser, Felder,
Telegraphenstangen scheinbar vorüberjagen, so strich an
meiner Zeit durcheilenden Maschine die Zeit vorbei.«
Auf dem Tempomobil unternahm nun Erasmus Büttgemeister
am 27. April 1906 eine Reise durch die Zeit, von der er
nicht mehr zurückkehrte. Daß Erasmus’ Mutter, als sie nach
ihm suchte, die Maschine nicht mehr in der Stube fand, ist nur
verständlich. Das Tempomobil war nicht mehr da, ebensowenig
wie etwa die Luftsäule, welche die Stube vor zehn, vor
hundert Jahren erfüllt hatte.
Warum Erasmus Büttgemeisters Zeitenreise just im Jahre
1632 endigte, bleibt unaufgeklärt. Er selbst fragt: »War’s Landung
oder Strandung?« Er selbst weiß also nicht, ob seine
»Ankunft« im Jahre 1632 von ihm beabsichtigt oder nur eine
Art Betriebsunfall war.
Unklar bleibt auch, warum Büttgemeister, der uns doch
Proben seines bedeutenden mathematischen Wissens liefert,
von den technischen Einzelheiten seiner Erfindung nicht das
geringste zu berichten weiß, da er sie angeblich vergaß.
Warum vergaß er dann nicht auch seine anderen mathematischen
Kenntnisse?
Indes lassen sich für beide Fragen Erklärungen finden, welche
der Vernunft nicht widerstreiten.
Daß eine solch ungeheuerliche Neuheit wie das Tempomobil
bei der Erprobung Überraschungen bietet, plötzlich
irgendwie versagt, dem Willen seines Lenkers nicht gehorcht,
das ist nicht verwunderlicher, als wenn etwa eines jener neuen,
phantastisch schnellen Gleitboote bei seiner Probefahrt kentert.
Sein
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