Verirrte Herzen
wenn es natürlich rein freundschaftlich war. Aber Caro konnte manchmal sehr eifersüchtig sein.
»Gut, dann bin ich um sechs da.« Nora erklärte Anne noch, wie sie das Restaurant am besten erreichen konnte. Sie stand direkt vor Anne, kein Blatt Papier hätte mehr zwischen die beiden Frauen gepasst.
Anne nahm ihre Wärme wahr, ihr Duft stieg ihr in die Nase.
»Bis Sonntag«, verabschiedete sich Nora und hauchte Anne einen Kuss auf die Wange. »Ich freue mich.«
Ihre Lippen hinterließen ein heißes Brennen auf Annes Haut. Unwillkürlich hielt sie die Luft an und schloss die Augen. Vorsichtig betastete sie mit den Fingerspitzen ihre Wange, als hätte sie Angst, etwas zu zerstören.
»Nadine, ich muss unbedingt mit dir sprechen. Am besten jetzt sofort. Kannst du vorbeikommen?« Anne war völlig durch den Wind. Sie klammerte sich am Telefonhörer fest und hoffte inständig, dass Nadine es einrichten könnte, sie auf der Stelle zu besuchen.
Nadine entging Annes Anspannung nicht, und so willigte sie umgehend ein. »Gib mir eine halbe Stunde. Ich bringe uns ein bisschen Schokoladentorte mit, das wird deine Stimmung aufhellen.«
Lilly kam aus ihrem Kinderzimmer. »Spielst du ein bisschen mit mir?« bettelte sie.
»Ich bekomme gleich Besuch. Aber danach. Du kannst doch etwas Schönes malen oder kneten und es mir dann zeigen.«
Wieder einmal überließ sie das Kind sich selbst. Sie sah Lilly schweren Herzens zu, wie sie sichtlich geknickt ins Kinderzimmer zurücktrottete. Viel zu selten hatte sie in letzter Zeit mit Lilly gespielt, geschweige denn etwas mit ihr und Caro gemeinsam unternommen. Sie war keine wirklich gute Mutter im Moment. Auch wegen Lilly musste sie Nora aus ihren Gedanken verbannen, ganz dringend.
Anne deckte den Tisch und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Der Kaffee war gerade durch die Maschine gelaufen und verströmte ein intensives Aroma, als es an der Tür klingelte.
Nadine umarmte Anne fest. »Schön, dich zu sehen. Ich hoffe, es gibt keinen wirklich ernsten Grund für diesen Überfall.« Nadine zwinkerte Anne zu. Natürlich wusste sie, dass etwas Wichtiges hinter Annes plötzlichem Anruf stecken musste, aber sie wollte ihre beste Freundin etwas aufmuntern.
Anne setzte ein schiefes Lächeln auf. »Na ja. Aber komm erst mal richtig herein.«
Sie setzten sich an den gedeckten Tisch, und Anne schenkte den braunen Muntermacher ein, während Nadine die riesigen Tortenstücke auf die Teller hob.
»Dann erzähl deiner besten Freundin endlich, wo es brennt. Ich habe ja vorhin am Telefon richtig Angst bekommen.« Nadines dunkelbraune Augen strahlten Anne warm entgegen.
Anne wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Noch hatte Nadine von Noras Existenz keine Ahnung. Also beschloss sie, am besten ganz vorn anzufangen. Sie holte tief Luft, ehe sie mit der Neuigkeit herausplatzte: »Ich habe da jemanden kennengelernt.«
Nadine starrte sie an, ihre Kuchengabel sank mit einem Klirren auf den Teller. »Oh. Männlich oder weiblich?«
»Ihr Name ist Nora. Sie war meine Patientin.« Anne begann Nadine alles von Nora zu berichten, wie sie sich kennengelernt hatten und wie sie Anne immer wieder angeflirtet hatte. Sie musste sich bremsen, um nicht zu sehr ins Schwärmen zu geraten. »Sie ist einfach irgendwie ganz anders. So unnahbar, geheimnisvoll. Ich fühle mich zu ihr hingezogen und kann gar nicht genau erklären, warum«, versuchte sie Nadine ihre Gefühle zu schildern.
Nadine hörte aufmerksam zu und war sichtlich bemüht, sich ihre Verwunderung nicht anmerken zu lassen. Sie kannte Anne sehr gut und schon viele Jahre lang, hatte viel mit ihr durchgemacht, aber das kam nun doch sehr plötzlich. Nadine nahm einen großen Schluck von ihrem Kaffee.
»Na ja, und am Sonntag gehen wir zusammen aus«, ließ Anne die Bombe platzen.
Nadine verschluckte sich vor Schreck und musste husten.
»Ich weiß, das passt eigentlich gar nicht richtig zu mir, und ich weiß doch selbst nicht, was mit mir los ist.«
Nadine runzelte die Stirn und fuhr sich mit der Hand durch ihre kurzen, braunen Haare. »Was ist mit Caro?«
Anne seufzte. »Ich liebe Caro, ich will sie ja auch gar nicht betrügen oder so. Das ist ja nur ein Essen, aber ich genieße Noras Nähe. Sie gibt mir einfach das Gefühl, etwas Einzigartiges zu sein«, fuhr sie fort.
Ihre beste Freundin nickte ihr wissend zu. Sie selbst war meist schnell aus ihren Beziehungen ausgebrochen, hatte es nie lange mit derselben Frau ausgehalten. Mit der Treue hatte sie es
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