Verirrte Herzen
nicht richtig angesehen habe. Und dann habe ich die falschen Übungen mit ihm gemacht.«
Caros Lächeln wandelte sich während Annes Bericht über Erstaunen zu offensichtlicher Verärgerung.
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?« Caro legte ihre Stirn in tiefe Falten und kniff die Augenbrauen skeptisch zusammen.
»Ich weiß, dass so etwas eigentlich nicht passieren darf. Aber ich kann es jetzt leider nicht mehr ändern. Jedenfalls war Herr Kleinemann sehr sauer.«
»Das ist ja wohl kein Wunder«, fiel Caro ihr in den Rücken. So unprofessionelles Verhalten hätte sie von ihrer Lebensgefährtin niemals erwartet. »Ich glaube es einfach nicht. Du bist selbst schuld an dieser Situation.« Caros Blick war kühl und reserviert.
Anne zuckte zusammen. Mit offenem Mund starrte sie ihre Freundin an. Ihr Herz zog sich zusammen und verkrampfte sich.
»Du erwartest doch nicht etwa, dass ich Mitleid mit dir habe?« herrschte Caro sie in vorwurfsvollem Tonfall an.
Annes Augen füllten sich mit Tränen. Schnell kramte sie ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche, um ihr Weinen zu verbergen. Sie war so sicher gewesen, dass Caro sie verstehen und tröstend in die Arme nehmen würde. Statt dessen saß sie abweisend auf der Couch und brachte keinerlei Verständnis für ihre Probleme auf. Ihre herzlosen Vorhaltungen waren für Anne kaum auszuhalten. »Ich hatte solche Angst, dass Herr Kleinemann mir gleich meine Papiere gibt«, versuchte Anne schluchzend Caros Unverständnis zu durchbrechen.
Doch Caro gab nur einen unterdrückten Laut von sich, während sie ihre Lippen aufeinanderpresste, um Anne nicht noch mehr Vorhaltungen an den Kopf zu werfen.
Eine Weile saßen sie schweigend auf dem Sofa, beide jeweils am entgegengesetzten Ende, so weit auseinander wie es nur ging. Es herrschte eine eisige Stille.
Sie starrten gedankenversunken vor sich hin. Anne hatte noch immer Tränen in den Augen und konnte ihre Enttäuschung über Caros Reaktion kaum verbergen, während Caro verärgert und enttäuscht über das Versagen ihrer Partnerin war.
Die Luft war zum Zerreißen gespannt.
»Bitte sag doch was«, flehte Anne verzweifelt. Sie konnte es kaum ertragen, wenn Caro sauer auf sie war. Erst recht nicht, wenn sie den Grund nicht nachvollziehen konnte.
»Es kann doch wohl nicht so schwer sein, so ein bisschen Physiotherapie jeden Tag zu machen und sich vorher anzusehen, was du da genau machen sollst. So anspruchsvoll kann es doch nun wirklich nicht sein. Stell dir vor was passiert, wenn ich einen Fehler mache. Glaubst du, ich könnte mir so etwas erlauben?« sprudelte es aus Caro heraus.
Jetzt ging sie eindeutig zu weit. »Denkst du etwa, meine Arbeit wäre lächerlich im Vergleich zu deiner großartigen Juristerei? Du, die brillante Rechtsanwältin, bist die wahre Heldin, und ich, armselige Physiotherapeutin, vertreibe mir so nebenbei die Zeit, oder was?« Anne schnaubte vor Wut. Ihr Gesicht war rot angelaufen. Natürlich verlangte die Arbeit Caro sehr viel ab, aber auch sie schuftete tagtäglich, auch sie durfte sich keine Fehler erlauben, musste konzentriert arbeiten. Ganz nebenbei versorgte sie auch noch ihre Tochter, kümmerte sich um den Haushalt und sorgte dafür, dass Caro nicht verhungerte und immer saubere Wäsche hatte. Von ihrem Eifer, Anne dabei unter die Arme zu greifen, war ohnehin nur noch wenig zu spüren. Anne schloss die Augen.
»Manchmal würde ich mir wünschen, dass du mich und meine Karriere mehr unterstützt«, unterbrach Caro vorwurfsvoll die Stille.
Sie mehr unterstützen? Hatte sie überhaupt eine Ahnung, wie sie ihr den Rücken stärkte, was sie ihr abnahm, damit sie sich voll und ganz auf die Kanzlei konzentrieren konnte?
Anne erhob sich wortlos und ging aufgebracht ins Badezimmer. Wutentbrannt warf sie die Tür ins Schloss. Das laute Knallen hallte in ihren Ohren nach. Sie versuchte tief zu atmen, um sich zu beruhigen, aber es gelang ihr nicht. Innerlich kochte sie vor Zorn, ihr Körper vibrierte. Sie war völlig außer sich, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Das war eindeutig zu viel. Das ließ sie sich nicht länger gefallen.
Minuten später klopfte es zaghaft an der Tür.
»Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht das Gefühl geben, deine Arbeit sei weniger wert als meine. Ich weiß doch, wie hart du arbeitest und das nicht nur in der Praxis, sondern auch hier zu Hause. Bitte komm da raus, damit wir reden können.« Der Klang in Caros Stimme verriet, dass sie verzweifelt war, dass es ihr
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