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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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bist, um dieses Schmuckstück, die Sommerresidenz des Vizekanzlers Schönborn, von außen zu bewundern. Gestern haben wir einen kleinen Rundgang um die Villa gemacht, bevor wir uns ins Theater begaben. Sogar in Versailles spricht man davon – wenn du wüsstest, was das für ein Garten ist! Und die Orangen- und Zitronenbäume, alle in vergoldeten Töpfen! So hat es mir jedenfalls mein Neffe beschrieben.»
    Domenico nickte höflich. Ich ging wieder zum Angriff über, diesmal versuchte ich Atto mit einer ziemlich eindeutigen Provokation aus der Reserve zu locken.
    «Frankreich käme es natürlich sehr gelegen», sagte ich, «wenn zwischen dem Reich und den Türken wieder ein Krieg ausbräche. Dann müsste Ihre Kaiserliche Majestät die Armee auch im Osten einsetzen. Den Allerchristlichsten König würde das gewiss nicht wenig erleichtern.»
    «Ich kann mir durchaus nicht vorstellen, dass so etwas geschieht», erwiderte Atto in neutralem Tonfall. «Seit dem Friedensvertrag von Karlowitz herrscht im Osten Ruhe. Die vor kurzem eingetroffene türkische Ambassade hat einzig den Zweck, daran zu erinnern, dass der Sultan noch lebt, und mir scheint dieses Manöver nicht mehr als pure Effekthascherei zu sein.»
    Er hatte sich widersprochen. Kurz zuvor hatte er noch behauptet, er habe keine Ahnung von den Absichten der osmanischen Gesandtschaft und dass es ihm nützlich sei, mehr darüber zu wissen.
    «Apropos», hub er wieder an, erneut das Thema wechselnd, «wie ich dir andeutete, sind wir gestern Nachmittag im Theater gewesen. Man hat mir gesagt, dass Marianna Pállfy Komödien liebt, und ich hoffte, ihr zu begegnen. Wir haben eine Loge für vier Personen genommen, die Eintrittskarte hat nicht viel gekostet, einen Dukaten. Der Raum war viel zu dunkel und die Decke zu niedrig, aber ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so gelacht! Dank der Hilfe meines Neffen, versteht sich.»
    Ich antwortete nichts auf dieses Geplauder ohne Belang, doch Atto fuhr ungerührt fort:
    «Es war eine Komödie, in der Jupiter die Gestalt Amphitryons annimmt, um dessen Gattin Alkmene ins Bett zu bekommen. Doch vor allem macht er einen Haufen Schulden an dessen Stelle, und die meiste Zeit sieht man den wahren Amphitryon, den armen Kerl, wie er von seinen Gläubigern verfolgt wird. Eine rechte Albernheit, dieses Stück, voll vulgärer Scherze, die man in Paris nicht mal einem Fischhändler nachsehen würde!»
    Beharrlich ignorierte Atto meine Fragen nach der Gesandtschaft des Agas, die doch in Wien die aufregendste Nachricht der letzten Tage darstellte. Sein Verhalten war so offensichtlich, dass es Verdacht weckte.
    «Auch die hiesige Mode ist grässlich, nicht wahr, Domenico?», fuhr er mit seinen Abschweifungen fort.
    «Jawohl, Herr Onkel.»
    «Mir ist unglücklicherweise das Licht des Tages verwehrt, lieber Neffe. Auch in einer so großen Stadt kann ich die Gepflogenheiten der Einwohner nicht mehr beobachten, doch mir entgeht nicht viel. Durch die Pariser Gazetten, die du mir vorliest, weiß ich genau, wie fürchterlich die Mode am Kaiserhof ist, vergleicht man sie mit der französischen oder englischen. Dass die Damen einen Rock tragen, ist das Einzige, was diesen Ländern gemeinsam ist. Alles andere an der Wiener Mode ist monströs und widerspricht in jeder Hinsicht dem gesunden Menschenverstand. Hier bestickt man noch den kostbarsten Stoff dicht mit Gold, und es genügt, sich ein teures Kleid machen zu lassen, um bewundert zu werden, es muss mitnichten auch geschmackvoll sein. An allen anderen Tagen aber kleidet man sich nur in einen schlichten Umhang und trägt darunter, was man will. Ist es nicht so, mein lieber Neffe?»
    «Jawohl, Herr Onkel», wiederholte Domenico.
    Langsam wurde ich ungeduldig.
    «Zum Beispiel gilt es hier in Wien als besonders schön, so viele Haare zu haben, wie ein Fass von mittlerer Größe nicht zu enthalten vermöchte. Also lassen die Damen sich enorme Gerüste aus gestärkter Gaze anfertigen und befestigen diese mit Bändern am Kopfe. Sodann werden sie vermittels jener eisernen Ringe gestützt, an welche bei uns die Milchfrauen ihre Eimer hängen. Schließlich bedecken sie das teuflische Machwerk mit künstlichen Haaren, die allen Frauen hierorts ungeheuer elegant erscheinen.»
    «Signor Atto», versuchte ich vergeblich, ihn zu unterbrechen.
    «Und um den Unterschied zu den echten Haaren zu verbergen», fuhr er unerschütterlich fort, «streuen sie pfundweise Puder auf das ganze Gebilde und flechten drei oder

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