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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Kaffeehäuser waren in Wien sehr in Mode. Auf der Straße standen elegante Kutschen, deren Besitzer, Adelige oder hohe Hofbeamte, sich gerade für viel Geld in dem Lokal amüsierten.
    «Das ist die Mehlgrube, der vornehmste Platz für nächtliche Vergnügungen», sagte Populescu. «Hier gibt es die besten Billardtische, die gewieftesten Kartenspieler, die großartigste Musik und die schönsten Huren der Stadt. Man trinkt und tanzt noch um diese Zeit, trotz des Verbots. Je besser ein Lokal läuft, desto mehr Gesetzesbrüche werden toleriert: Es ist ja mehr Geld da, um die Richter zu bestechen.»
    In der oberen Etage wurden die Klänge des Orchesters vom Gelächter und Lärm der Tanzenden fast übertönt. Gerade war ein Stück im Dreivierteltakt zu Ende gegangen und wurde von tosendem Applaus gefeiert.
    «Habt ihr gehört?», brummte Populescu. «Seit einiger Zeit begnügen die Leute sich nicht mehr damit, Ländler oder Langaus zu tanzen. Immer öfter fordern sie diesen eigenartigen Tanz, von dem man nicht genau weiß, woher er kommt, Walzer oder so ähnlich. Dabei sagen die Medizi, er sei zu schnell und unsittlich, darüber hinaus könne er zu Überhitzung und Krankheit, ja zum frühen Tode führen. Ich wette, in zwei Jahren spricht keiner mehr davon.»
    Dann machte Populescu sich auf die Suche nach Zyprian und kehrte bald mit triumphierendem Gesichtsausdruck zurück.
    «Ich habe ihn gefunden. Man hält ihn für uns warm.»
    Durch eine kleine Tür, die auf die Straße ging, führte er uns eine winzige Stiege hinab in den Keller des Lokals. Er wurde nur durch ein schwaches Licht in einem kleinen Raum voller Wein- und Bierfässer erhellt. Hier fanden wir den einäugigen Jungen an einem Tisch sitzend. Ein dickbäuchiger Mann mit stumpfen, halbgeschlossenen Augen bewachte ihn. Der Kerl war noch kräftiger als Helmut, der den Eingang des Hetzhauses bewacht hatte. Seine Arme waren ungefähr so dick wie meine Waden.
    «Er hilft mir, die Zahlungen meiner Kunden einzutreiben», erklärte Populescu und zeigte mit einem verschwörerischen Lächeln auf den Mann, während er sich aus einem der Fässchen einen Krug Bier zapfte.
    Der junge Zyprian schien eher wütend als ängstlich und betrachtete uns mit seinem Auge wie ein Tier im Käfig. Sogleich überschüttete er Populescu mit einer Reihe wüster Beschimpfungen, worauf dieser ihm in derselben Sprache lebhaft antwortete.
    «Er sagt, er will nicht sprechen und erinnert sich an nichts», erklärte Populescu und stürzte sein Bier hinunter. «Erst hat er versprochen, mir zu helfen. Jetzt sagt er plötzlich, diese Dinge seien heilig für die Türken, man dürfe nicht zu viele Fragen stellen, sonst könne ihr Gott zornig werden und uns bestrafen. Aber ich habe ihm klargemacht, dass man seine Versprechen hält. Sonst muss Klaus eingreifen.» Und er deutete auf den Berserker neben Zyprian.
    «Ihren eigenen Leuten gegenüber», flüsterte mir Simonis ins Ohr, «sind diese Menschen aus Halb-Asien besonders grausam.»
    Zyprian spuckte zum Zeichen der Verachtung auf die Erde. Populescu gab Klaus einen Wink, worauf der Hüne Zyprian mit der flachen Hand einen so heftigen Schlag auf die linke Wange versetzte, dass der Junge auf dem Stuhl ins Schwanken geriet.
    «Geh zum Teufel!», zischte er auf Deutsch.
    «Reg dich nicht auf, Dragomir, bleib ganz ruhig», brummte Populescu in sich hinein. «Klaus, nochmal!», befahl er dann.
    Diesmal setzte es drei Ohrfeigen mit dem Handrücken. Die erste ließ das Opfer wieder erzittern, die zweite brachte ihn aus dem Gleichgewicht, und die dritte ließ ihn vom Stuhl fallen. Klaus schlug ohne Stil, aber wirkungsvoll. Zyprian gab nicht nach.
    «Ihr geht besser eine Weile nach nebenan», sagte Populescu. «Wir müssen härtere Bandagen anwenden.»
    Erschüttert blickte ich Simonis an, der mir mit einer Kopfbewegung riet, Dragomirs Empfehlung zu folgen. Wir setzten uns in eine Ecke.
    Nach wenigen Augenblicken hörte man die ersten Schreie, gefolgt von Populescus Rülpsern. Er war offensichtlich schon dabei, sich den nächsten Krug in die Kehle zu schütten.
    «Halb-Asien», brummte der Grieche kopfschüttelnd.
    «Ich glaube nicht, dass es damit etwas zu tun hat», wandte ich ein. «Du sprichst, als wären sie die Verbannten in Westindien. Die sind wirklich wild.»
    «Diese hier sind nicht besser, Herr Meister. Es gibt einen alten Witz aus Pontevedro: Steht ein Bauer am Tor zum Paradies und darf sich etwas wünschen, doch nur unter der Bedingung, dass sein

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