Veritas
Aufgabe: meiner Frau alles zu erklären.
«Er ist immer noch da? Warum habt ihr ihn nicht sofort ins Gefängnis gebracht?»
Wir waren in unserer Unterkunft in der Himmelpforte. Ängstlich blickte Cloridia, unseren Kleinen fest umschlungen, wie die Hennen es mit ihren Küken machen, Ugonio an.
«Die Sache ist die, dass du ihn nicht kennst, aber er dich», erklärte ich ihr, während ich Simonis und Ugonio einen Sitzplatz anbot.
Mein Gehilfe betrachtete den Heiligenfledderer mit einer Mischung aus Staunen, Ekel und Misstrauen, und als er auf dem Stuhl Platz nahm, achtete er darauf, dass zwischen ihm und dem anderen so viel Abstand wie möglich blieb. Von Zeit zu Zeit sog er, Ugonio fest im Blick, verstohlen Luft durch die Nase ein, um zu überprüfen, ob der ranzige Geruch, welcher sich rasch im ganzen Zimmer ausbreitete, wirklich aus dessen Überwurf aufstieg (es war tatsächlich so).
«Er kennt mich? Seit wann denn?», fragte meine süße Gemahlin argwöhnisch.
Ich erklärte ihr, wer Ugonio war, ein Gauner zwar, der sich aber in der Not als zuverlässig erwiesen und unwiderlegbare Beweise seiner Treue erbracht habe.
Als Cloridia und ich vor elf Jahren in Rom in der Villa des Kardinals Spada arbeiteten, hatte er sich mehrmals heimlich eingeschlichen; daher kannte er Cloridia und wusste, dass sie meine Frau war, während sie ihn nie zu Gesicht bekommen hatte. Im Palais des Prinzen Eugen hatte er sie so eingehend betrachtet, weil er nicht sicher war, ob er sie richtig erkannt hatte. Als er schließlich überzeugt war, dass es sich um meine Frau handelte, hatte er beschlossen, es am heutigen Morgen zu wagen: Er hatte sich ihr vor dem Himmelpfortkloster genähert und wollte sich zu erkennen geben, doch Cloridia hatte erschrocken reagiert. Darauf hatte er versucht, sie am Arm festzuhalten, und wer der Szene beigewohnt, mich eingeschlossen, dem mochte sie durchaus wie ein Angriff erscheinen.
«Ich verstehe», sagte Cloridia schließlich und rang sich ein Lächeln ab.
«Ugonio ist ein vertrauenswürdiger Mann», wiederholte ich, «wenn man ihn recht zu nehmen weiß.»
«Und warum treibt er dann Handel mit Menschenköpfen? Und warum hat er Prinz Eugen die Münzen von Landau gestohlen?», fragte meine Gemahlin, und die zornige Miene des Argwohns kehrte auf ihr Gesicht zurück.
«Das wird er uns selbst sagen, wenn er nicht will, dass ich ihn anzeige, was ich mit Fug und Recht tun könnte», erwiderte ich und warf Ugonio einen vielsagenden Blick zu.
Der Heiligenfledderer zuckte zusammen.
«Erstens: Die Münzen aus Landau hast du im Rahmen deiner üblichen Geschäfte gestohlen, stimmt das?», fragte ich.
In der formlosen Masse seiner Gesichtszüge bleckte Ugonio die gelblichen, spitzen Zähne. Er zeigte Überraschung, Unbehagen und kindliche Freude über den geschickten Raub der Münzen.
«Ich widerstreite die Akkusation Euer Hochwohlgeborenheit nicht», antwortete er mit seiner katarrhalischen, misstönenden Stimme, «doch, die Scrupoli vermindernd, um die Skrupel nicht zu mehren, möchte ich die anwesende, geheiratete Dame, geehelichte sowie konsoziierte Gattin Euer erhabenster Hochmütigkeit assekurieren, dass der Unterzeitigte, also dieses selbstige Meinerseits, fast nie jemals, auch nicht in mehrfachen Jahrhunderten beabsichtlichte, ihr ein Haar zuleide zu tun.»
«Was hat er gesagt?», fragte Simonis verblüfft, der Schwierigkeiten hatte, den verbalen Windungen Ugonios zu folgen, da Italienisch nicht seine Muttersprache war.
«Dass i de Münzn gfladat hoab, guat, des gib i zua. Owa an dera Gnädigste woa i mit meine Finga net dran. Ned amoi in Gedaungn», übersetzte der Heiligenfledderer, welcher im Land teutscher Zunge aufgewachsen war, rasch.
«Ja, das habe ich verstanden», nickte ich. «Du wolltest dich Cloridia nur vorstellen, obwohl es wahrhaftig galantere Formen gegeben hätte. Jetzt sag mir: Arbeitest du für Abbé Melani?»
Ugonio schien erneut überrumpelt:
«Ich ignorisierte vollständlich und außerdem gänzlich, dass Abbé Melani sich hier nach Vindobona begebnet hat», antwortete er, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte. «Doch um mehr Vater als Vatermörder zu sein, kann ich, Wahres aufrichtig leugnend, anvertrauen, dass ich die Schwerstarbeit nicht erfasse, welche Euer Pompösität mir anhängt.»
Wieder hob Simonis verdutzt die Augenbrauen.
«Melani, vo dem was i nix», übersetzte ihm Ugonio grunzend.
«Ach nein?», empörte ich mich. «Und warum hast du dann mit dem Derwisch
Weitere Kostenlose Bücher