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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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vorzuschlagen, damit seinem Bruder Karl wenigstens Katalonien und dessen Hauptstadt Barcelona bleibt.»
    «Tatsächlich? Würde das eine Lösung in Spanien bedeuten?»
    «Freilich. Aber weißt du, was es in Wirklichkeit bedeutet? Dass die beiden wichtigsten Kontrahenten, Frankreich und Österreich, den Friedensprozess steuern würden und die Geschicke Europas, wie seit Jahrhunderten, in ihren Händen blieben. Eben das, was England und Holland nicht wollen. Die Handelsmächte beabsichtigen, die alte Weltordnung zu zerschlagen und eine neue unter ihrer Ägide zu schaffen. Nein, Frankreich und Österreich dürfen nicht selbst Frieden schließen, sie werden ihn erleiden müssen. Zu den Bedingungen Englands vornehmlich, und denen Hollands.»
    «Eurer Meinung nach ist Joseph I. England und Holland also unerwünscht, was auch immer er tut.»
    «Akkurat. Egal, ob Krieg oder Frieden: Österreich, Frankreich und Spanien dürfen über ihr eigenes Schicksal nicht mehr frei entscheiden. Die Engländer und Holländer wollen das Ende der nationalstaatlichen Souveränität. Darum haben sie am Krieg teilgenommen, und sie können es kaum erwarten, die Besitztümer der spanischen Krone in der Neuen Welt unter sich aufzuteilen. Jungfräuliches Gebiet, unermesslich groß, reich, ohne Recht und Gesetz. Als schlaue Händler, die sie immer gewesen sind, wissen sie genau: Wer diese Territorien besitzt, hat die Welt in der Hand. Und sie haben nicht die geringste Absicht, sie den Spaniern, Franzosen oder Deutschen zu überlassen.»
    «Aus diesem Grund also», resümierte ich, als Attos Rede beendet war, «seid Ihr überzeugt, dass die beiden Seemächte etwas gegen Ihre Kaiserliche Majestät unternommen haben.»
    «Es ist eine Möglichkeit. Aber nicht die einzige.»
    Es gab nämlich noch eine zweite Hypothese: einen Grund im Inneren des Reiches.
    «Du weißt natürlich, dass Karl und Joseph sich verabscheuen», sagte Atto. «Sie haben sich immer gehasst, seit ihr Vater sie gegeneinander ausspielte, indem er den Jüngeren dem Alteren vorzog. Die Natur hat sie sehr unterschiedlich ausgestattet, die Familie hat sie zu Feinden gemacht. Seitdem Joseph Kaiser ist, hasst Karl, der gezwungen ist, um den Thron zu kämpfen, ihn aus tiefster Seele.»
    Wenn Joseph stürbe, würde Karl eine ungewisse Krone, diejenige Spaniens, für eine sichere und weit bessere verlieren: die Kaiserkrone in Wien.
    «Joseph hat nur zwei Töchter, der einzige Sohn ist ihm schon als kleines Kind gestorben. Stirbt er, folgt Karl ihm nach. Erscheint dir das als ein schlechter Grund zu töten?»
    Aber das war noch nicht alles. In seinem jungen Leben hatte Joseph sich bereits zahlreiche Neider geschaffen.
    «Die Jesuiten hassen ihn. Als er den Thron bestieg, hat er sie sofort in rüder Form von der Regierung ausgeschlossen. Vielleicht hast auch du von den Drohungen gehört, die ein Jesuit gegen ihn ausstieß, kaum dass Joseph den Thron bestiegen hatte. Joseph hat ihn verbannen lassen. Doch auch die alten Minister seines Vaters hassen ihn: Schon als junger Mann hat Joseph sie bekämpft, bis er endlich Kaiser wurde, dann hat er sie alle fortgejagt. Alle bis auf einen. Doch auch der hasst Joseph jetzt.»
    Ich wusste, von wem wir sprachen.
    «Herr Abbé, Ihr habt mir schon einen Brief des Prinzen Eugen gezeigt, und der war gefälscht.»
    «Ja. Aber alles andere, was ich dir erzählt habe – Landau, Eugens Neid auf den Kaiser, seine Angst, abgeschoben zu werden, wenn der Krieg vorbei ist –, ist wahr.»
    «Und wenn Joseph I. sich wirklich mit Frankreich einigt, um Spanien aufzuteilen und seinem Bruder Karl Katalonien zu überlassen, wird Frieden geschlossen.»
    «So ist es. Eugen wird es nie gelingen, seinen jungen, aber unnachgiebigen Kaiser zu einem Sinneswandel zu bewegen. So muss sich unser Savoyer mit seinen achtundvierzig Jahren dem entschlossenen Kaiser von nur dreiunddreißig Jahren beugen. Wenn Eugen wirklich hinter dem Giftanschlag auf Ihre Kaiserliche Majestät steckt, muss ich zugeben, dass er sich diesen Schachzug klug überlegt hat: Im Gegensatz zu Joseph ist Karl ein schwacher Charakter, er wird ihn nicht daran hindern, den Krieg fortzusetzen, auch ohne Unterstützung Hollands und Englands. Und wenn dieser Kriegsherd erlischt, wird sich ein anderer finden. Für den Savoyer ist ein Krieg so gut wie der andere; wichtig ist nur, dass es Lorbeeren und Macht zu ernten gibt, zumindest so lange, bis er sich aus Altersgründen zurückziehen muss. Doch das ist ein Spiel, das

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