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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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hinauswerfen. Ferdinand I. ließ ein ganzes Haus neben seiner Residenz leer räumen, weil die Beamten, die sich dort einquartiert hatten, fortwährend betrunken waren und so laut brüllten, dass die Sitzungen des Hofrates gestört wurden. Und sie waren so nachlässig im Umgang mit Öfen und Kaminen, dass sowohl das Haus als auch die Residenz abzubrennen drohten.»
    «Und was hat das alles mit Opalinski zu tun?», fragte ich, als die Erklärung beendet war.
    «Ganz einfach: Er verdingt sich als Makler für die Untervermietungen.»
    «Hast du nicht gesagt, die seien gesetzwidrig?»
    «Gewiss. Tatsächlich ist die Sache nicht ganz ungefährlich: zum Beispiel, wenn der Wohnungseigentümer seinerseits einen Freund bei Hofe hat und beschließt, sich an dem Beamten zu rächen, der ihn enteignet hat, oder eben auch am Makler. Opalinski ist das Risiko gewöhnt. Das muss man anerkennen, er ist wirklich ein mutiger Pole. Erst jetzt, nach dem, was mit Koloman passiert ist, habe ich ihn zum ersten Mal verstört gesehen.»
    Als wir am Neugebäu ankamen, wurden wir vom hellen Schimmer seiner Steine begrüßt. Wie ein guter Sohn seinem müden Vater hätte ich Atto, wäre das Licht seiner Augen nicht erloschen, das majestätische Bauwerk Maximilians II. zeigen mögen, seine Gärten, die großen Fischteiche, die Türme, das Serail der wilden Tiere, den unendlich weiten Blick, den man von der Loggia auf der Nordseite genoss. Bevor wir am Ort Ohne Namen ankamen, hatte ich Abbé Melani in groben Zügen von seinen Schätzen und seiner Geschichte berichtet, damit er nicht gänzlich ahnungslos an diesen Hort der Erinnerung gelangte, wo zwischen der tragischen Vergangenheit Maximilians und der nicht weniger düsteren Gegenwart des jungen Joseph die Zeit stehengeblieben schien. Kurz hatte ich ihm die Kämpfe Maximilians gegen die Türken zusammengefasst, von der Entstehung des Neugebäus als Parodie auf die Zeltstadt Süleymans des Prächtigen, vom tragischen Tod des Kaisers und den Komplotten gegen ihn erzählt. Natürlich hatte ich das einzige Detail verschwiegen, dem niemand Glauben geschenkt hätte: das Fliegende Schiff und seine Zauberkräfte, deren Zeugen Simonis und ich gewesen waren.
    Atto hatte meinen Bericht über die Geschichte des Ortes Ohne Namen außerordentlich interessiert angehört, bei den Einzelheiten, die er kannte, genickt, und bei jenen, die neu für ihn waren, geschwiegen.
    Die Großartigkeit dieses Ortes, die zu erblicken seine blinden Augen ihm verwehrten, konnte ich ihm mit meiner erbärmlichen Rede freilich nicht vermitteln, und ich wusste – oder zumindest schien es mir so –, dass ihn dies zutiefst betrübte, war es doch der Beweis seines endgültigen Niedergangs. Vor achtundzwanzig Jahren hatte ich ihn als einen wissensdurstigen und neugierigen Menschen kennengelernt, den jedes Geheimnis lockte und der sich sogar in seiner Freizeit der Abfassung eines Romführers widmete, um seinen schöpferischen Elan und seine Lust an neuen Kenntnissen zu befriedigen. Jetzt ließ sein Körper ihn im Stich, all seine inneren Vermögen waren Sklaven der Umstände; die Neugierde musste der Resignation weichen, die Eile der Geduld, die Intelligenz der Unwissenheit. Atto würde das Neugebäu niemals erblicken.
    Am Ziel angelangt, entließen wir den Pennal (er würde uns später wieder abholen) und begaben uns zunächst zu Frosch, um ihm unseren Begleiter vorzustellen. Denn der Wächter des Ortes Ohne Namen war bereits sehr überrascht gewesen, als er uns von weitem auf Peniceks Kalesche ankommen sah, und hatte einen skeptischen Blick auf Abbé Melani geworfen.
    «Des is Ihna neicha Lehrbua? Haums in Klaan austauscht?», lachte er grob und zeigte auf Atto.
    Frosch stellte keine Fragen nach unserem letzten Arbeitstag im Neugebäu. Wenn er kein geschickter Heuchler war (und das sind Trinker meist nicht), musste das wohl bedeuten, dass er uns mit dem Fliegenden Schiff weder hatte aufsteigen noch landen sehen. Insgeheim tat ich einen Seufzer der Erleichterung: Mit diesem versoffenen Zerberus hätte ich das unglaubliche Geheimnis des Fluges, den Simonis und ich getan hatten, wahrhaftig nicht teilen mögen.
    Wir gingen am Ballspielplatz vorbei, und ich warf einen stummen Blick auf das Fliegende Schiff. Sanft auf den Boden geschmiegt, lag es dort, wo wir es zurückgelassen hatten. Niemals hätte sein plumpes wie bizarres Aussehen vermuten lassen, dass es leicht zwischen den Wolken zu schweben vermochte. Heimlich spähte ich zu Simonis

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